Positionspapier

Direkteinstieg attraktiv gestalten

1.       Form der Ausbildung

Das Anfang Februar eingeführte baden-württembergische Direkteinsteiger*innen-Programm, das wir generell begrüßen, muss auch Sicht des Deutschen Kitaverbands attraktiver und flexibler für die Bewerber*innen gestaltet werden, um einen erfolgreichen Beitrag zur Gewinnung neuer Zielgruppen für das Feld Kindertagesbetreuung leisten zu können.

Direkteinsteiger*innen sind Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und interessanter Vorerfahrung sowie einer persönlichen Eignung für die Betreuung von Kindern. Aufgrund ihrer Lebenserfahrung und ihrer abgeschlossenen Berufsausbildung brauchen sie keine weitere grundständige Ausbildung mit den allgemeinbildenden Fächern, wie Deutsch, Englisch oder Religion, sondern vor allem pädagogisches Wissen. Dieses Wissen muss didaktisch zeitgemäß vermittelt werden können: in einer Kombination aus Präsenz- und Onlineunterricht (im Verhältnis 50:50), als blended learning und in Selbstlernphasen.[1]

Bildung ist gemäß einem modernen Verständnis immer auch Selbstbildung. Die Verantwortung für den Lernweg und -erfolg liegt in der Ausbildung bei jede*r einzelnen. Die Lernenden müssen in ihrer Selbsttätigkeit und Selbstverantwortung gefördert und gefordert werden. Wesentliche Voraussetzung für die aktive Übernahme der eigenen Lernverantwortung sind transparente Lern- und Ausbildungsziele. Die Fachschulen geben Orientierung über die Lernziele und planen gemeinsam mit den Schüler*innen den Ausbildungsweg. Gleichzeitig müssen die Fachschüler*innen sich den Bezug zu ihren eigenen Lernzielen – aus der Praxis heraus – bewusst machen. Auf diese Weise übernehmen die Fachschüler*innen Verantwortung für ihr Lernen.

Beim blended learning werden Präsenzveranstaltungen mit Phasen des Selbstlernens, der Gruppenarbeit, dem Projektlernen sowie webbasiertem Lernen verbunden. Die Fachschüler*innen sollten sowohl in der ganzen Gruppe, in Kleingruppen als auch im Selbststudium arbeiten. Dadurch werden Erfahrungsaustausch und persönliche Interaktion ermöglicht. Webbasiertes Lernen ermöglicht darüber hinaus eine zeitliche und örtliche Individualisierung des Lernens, ohne den Gedanken der Lernbegleitung aufzugeben.

Die Fachschulen sollten auf eine Methodenvielfalt setzen: auf kurze und fachlich fundierte Inputs sowie differenzierte Vermittlung und Auseinandersetzung mit Lerninhalten. Die Planung des Unterrichts sollte möglichst offen sein, um auf die Interessen der Fachschüler*innen eingehen zu können, d.h. es sollte von den Lernfragen und -zielen der Fachschüler*innen ausgegangen werden. Die Fachschüler*innen sollten die Freiheit besitzen, ihre eigenen Interessen zu verfolgen und einen eigenen Arbeits- und Lernrhythmus zu entwickeln. Dabei sollten sie gezielt durch Impulse unterstützt werden, die ihnen helfen, untypische Themen zu behandeln. Die pädagogische Praxis sollte immer wieder aufgegriffen werden, um nachhaltiges und vernetztes Lernen zu unterstützen. Die Schulen sollten auf Handlungsorientierung setzen und wechselnde Settings wie Plenum, kleine Gruppen, Tandem und Einzelarbeit nutzen.

Die anbietenden Berufsfachschulen für die zweijährige sozialpädagogische Assistenz (praxisintegriert) sollten analog zum Landeshochschulgesetz § 3 (3) selbst über elektronische Formate der Lehrangebote und Nutzung elektronischer Übertragungsmöglichkeiten entscheiden können. Die Schulen müssen die Form des Lehrangebots je nach Selbstlernkompetenz (fachlich, methodisch, sozial) der Schüler*innen steuern können. Die individuelle Förderung als Unterrichtsprinzip sowie das selbstorganisierte und kooperative Lernen sollten im Vordergrund stehen. Auf das Erbringen der Leistungsnachweise, der Prüfungsvorbereitung und des Prüfungserfolgs ist dabei besonders achtzugeben.

2.       Rahmenbedingungen

Die Direkteinsteiger*innen sollen bereits von Beginn an eine Unterstützung für die Arbeit mit den Kindern sein. Das Ziel ist es, die Direkteinsteiger*innen langfristig in die Arbeit in Kindertagesstätten einbinden zu können. Damit dies gelingt, schlägt der Deutsche Kitaverband folgenden Rahmen vor:

  • Direkteinsteiger*innen müssen für die Kitas voll finanziert sein.
  • In einem Kita-Team können bis zu 20 Prozent der Fachkraftstellen mit Direkteinsteiger*innen besetzt werden.
  • Sofortige Anrechnung mit 60-70 Prozent auf den Fachkräfteschlüssel (entsprechend der drei Tage Praxis).
  • Beschleunigtes Verfahren für die staatliche Anerkennung von Fachschulen, die den Direkteinstieg anbieten.
  • Private Fachschulen müssen das Direkteinsteigerprogramm anbieten und Schulfremdenprüfung abnehmen dürfen. Damit würde die bisher hohe Belastung der staatlichen Schulen durch die zusätzlichen Prüfungen reduziert.

 

[1] Das fordert auch das IZA Institute of Labor Economics (2022) in: Die Zeitenwende erreicht den deutschen Arbeitsmarkt, S. 5: „So ist eine Qualitätsoffensive zur Digitalisierung und für besseren Unterricht an den Berufsschulen dringend geboten. Ausbildungsinhalte, aber auch die Personalführung des in den Betrieben ausgebildeten Nachwuchses müssen mehr Flexibilität und Autonomie zulassen.“

 

Foto von Priscilla Du Preez auf Unsplash