Landesverband Baden-Württemberg, 7. November 2022

In die KiTaVO soll eine Regelung aufgenommen werden, die es Trägern ermöglicht, im Ausnahmefall bis zu zwei Kinder zusätzlich in die Gruppen aufzunehmen. Die Regelung wird auf das laufende Kindergartenjahr beschränkt.

Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass auch in den nächsten zehn Jahren keine Entspannung auf dem Fachkräftemangel eintreten wird. Dies bedeutet: Um Kita-Plätze für alle Kinder anbieten zu können und damit einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit zu leisten, brauchen wir eine Vielfalt unterschiedlichster Maßnahmen. Aufgrund der Entwicklung der Kinderzahlen (1) und der offenen Fachkraftstellen (2), stimmen wir deshalb – im Sinne der Kinder und Eltern mit unerfülltem Betreuungswunsch – einer Gruppenerhöhung zu. Die Regelung darf nicht zu Lasten des bestehenden Personals gehen.

Wir stehen einer Gruppenerhöhung positiv gegenüber, wenn folgende Rahmenbedingungen erfüllt sind:

  • Der Träger entscheidet, ob und in welchen Kitas er die Gruppenerhöhung umsetzt. 

  • Für Gruppen mit erhöhter Kinderzahl werden die Zuschüsse anteilig erhöht. Wenn möglich als Pauschale, da der Träger dadurch entscheiden kann, ob er zusätzliche Mitarbeiter*innen einstellt. Er kann auch entscheiden mit welcher Qualifikation und für welche Aufgabe. Die Mittel sollen aber auch für IT-Lösungen oder Fortbildungen eingesetzt werden können.
  • Die Regelung, eine Fachkraft mit zwei Nicht-Fachkräften zu ersetzen, muss fallen. Der ausnahmsweise Ersatz von Fachkraftanteilen durch geeignete Kräfte mit dem Schlüssel 1:2 ist keine geeignete Alternative. Es werden in Deutschland 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht, davon zwei Drittel Fachkräfte. Der Mangel hat ganze Branchen wie Gastronomie, Handwerk und Gesundheit erreicht. Das heißt: Eine Person durch zwei zu ersetzen, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.
  • Nichtpädagogische Fachkräfte müssen generell abrechenbar sein. Die Refinanzierung der Nicht-Fachkräfte sollte per Pauschalen erfolgen, da die Qualifikationen dieser Beschäftigten sehr weit auseinander gehen: von der Hilfskraft ohne Ausbildung bis zu Akademiker*innen diverser Fachrichtungen.
  • Für die Nicht-Fachkräfte fordern wir eine verbindliche Qualifizierung, die dann in eine modulare Qualifikation zur Fachkraft Eingang finden soll. Eine öffentliche Finanzierung dafür muss gesichert sein. Diese Qualifizierung müssen die Träger mit transparenten internen oder externen Konzepten umsetzen dürfen.
  • Um die Qualität in den Kitas langfristig sicher zu stellen und weiterzuentwickeln, müssen die Einrichtungen Evaluationen durchführen und Unterstützung bei der Qualitätsentwicklung erhalten, wenn sie die Umsetzung nicht in eigener Regie erreichen können.
  • Das Land muss – auch aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahlen – weiterhin großes Gewicht auf den Platzausbau bei Kindertagesstätten legen. Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg kann in den nächsten beiden Jahren mit 2,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen rechnen. (3) Teile davon sollten für ein landeseigenes Investitionsprogramm Kita-Ausbau verwendet werden.
  • Es muss frühzeitig an langfristigen und tragfähigen Regelungen über das aktuelle Kindergartenjahr hinaus gearbeitet werden. Diese müssen, anders als dieses Mal, in der AG Frühe Bildung diskutiert werden.

Gesamtgesellschaftlich, volkswirtschaftlich und aus Gründen der Bildungsgerechtigkeit ist es unsere Pflicht, die Errungenschaften bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht in Frage zu stellen. Um Gruppenschließungen und Verkürzungen der Öffnungszeiten zu vermeiden, schlägt der Deutsche Kitaverband als generelles Konzept vor, den Personalschlüssel aufrecht zu erhalten und innerhalb dieser Vorgabe den Fachkraftanteil zu reduzieren.

Die personelle Ausstattung laut Kita-Verordnung kann nicht mehr eng auf Fachkräfte nach §7 KiTaG begrenzt bleiben, wenn alle bereits geschaffenen Kitaplätze langfristig und mit bedarfsorientierten Öffnungszeiten belegbar bleiben sollen. Es gilt eine Form der Flexibilität zu finden, die nicht zu einer Beliebigkeit führt, sondern eine möglichst hohe Qualität sichert, die in der Verantwortung der Träger liegen muss. Es gibt mittlerweile Erfahrungen mit einem erweiterten Kreis von Beschäftigten unterschiedlichen beruflichen Hintergrunds, die ihr Spezialistentum einbringen können. Sowohl die Definition der zulässigen Ausbildungsabschlüsse als auch die tariflich eng gesteckten Grenzen verhindern eine generelle Umsetzung im Kitabereich. Um bei der aktuellen Situation des Fachkräftemangels alle Aufgaben einer Kita zu bewältigen, benötigen die Träger mehr Spielraum für den Einsatz von aus ihrer Sicht geeignetem Personal, die die Themen des Orientierungsplanes abdecken können.

Der während der Corona-Pandemie erlaubte Einsatz von Nichtfachkräften führte zu Erkenntnissen im Einsatz dieser Personen, die sowohl als „Spezialist*innen” als auch als „helfende Hände” zur Unterstützung der Fachkräfte oder z.B. zur Begleitung von Inklusionsprozessen eingesetzt wurden. Ein erfreulicher Begleitaspekt war hierbei, dass sich ein hoher Prozentsatz dieser zunächst als Aushilfen gewonnenen Menschen zu einer berufsbegleitenden Ausbildung oder pädagogischen Weiterbildung entschlossen haben.
Die Fortführung der Arbeitsverhältnisse mit den Nicht-Fachkräften muss langfristig möglich sein und die Kitas die Chance haben diese eingearbeiteten Menschen in den Kitas zu halten. Die Gewinnung auch von Nicht-Fachkräften muss ein fester Bestandteil für die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Mitarbeiter*innen in den Kitas werden. Dafür sind entsprechende Qualifizierungsmodule zu entwickeln.

Folgende Zusammensetzung der Kita-Teams schlagen wir vor:

– 10 % des Personals für Verwaltungstätigkeiten,

–  90 % des Personals für mittelbare und unmittelbare pädagogische Aufgaben, darunter

  • 60 % Fachkräfte
  • 30 % Auszubildende und Direkteinsteiger*innen (anrechenbar auf den Fachkraftschlüssel),
  • 10 % Hauswirtschaftskräfte (helfende Hände)

(1) Vgl. Statistisches Landesamt, PM 174/2022, Baden-Württemberg: Höchste Geburtenrate im »Corona-Jahr« 2021 seit 50 Jahren – Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (statistik-bw.de)
(2) In der Jahresumfrage 2022 des Deutschen Kitaverbands gaben die Befragten an, im Schnitt seien zehn Prozent der Stellen nicht besetzt. Deutscher Kitaverband: Jahresumfrage 2022 – Deutscher Kitaverband (deutscher-kitaverband.de)
(3) Vgl. „Inflation beschert BW höhere Steuereinahmen“, BW will eine Milliarde Euro neue Schulden machen – SWR Aktuell

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Foto: Ryan Fields on Unsplash