Ein Meinungsbeitrag zur Diskussion um den Eigenanteil freier Träger von Wolfgang Freier, Gemeinnützige BOOT GmbH BerlinMitglied im Deutschen Kitaverband

Wann kommt die Vollfinanzierung für Kitas freier Träger?

Kinderbetreuung und moralische Ansprüche

„Wer wird denn mit der Betreuung von Kindern Geld verdienen wollen? Ist das nicht unanständig? Das können wir nicht gutheißen.“

Etwa so reagiert ein Teil der Politik, wenn es um die Organisation der Kitabetreuung geht. Doch was bedeutet das für die Erzieherinnen und Erzieher? Heißt das, sie sollten von ihrem Einkommen nicht viel auf die hohe Kante legen können, denn schließlich arbeiten sie ja mit Kindern? Kitabetreuung als Betätigungsfeld für Idealisten, die bitte eigenes Geld und Leistungen einbringen, um sich ihrer Aufgabe widmen zu dürfen?

Nun, so möchte man das sicher nicht verstanden wissen. Schließlich ist der Erzieher*innenberuf mittlerweile als Mangelberuf anerkannt. Auch möchte man mit der obigen Aussage wohl kaum den großen Kreis derer ansprechen, die Kindermöbel, Kinderkleidung, Kindernahrung, Spielzeug oder Windeln herstellen und vertreiben. Selbst der Staat schränkt seine steuerlichen Wünsche nur teilweise von 19 auf 7 Prozent ein, wenn es um die Belange von Kindern geht. Sollte man nicht, entsprechend der obigen Aussage, diese Produkte gar als steuerbefreit erklären?

Wen möchte man denn eigentlich mit der Aussage, mit Kinderbetreuung Geld zu verdienen sei unanständig, in die moralischen Schranken weisen?

Von der kommunalen zur freien Trägerschaft

In Deutschland agieren kommunale Einrichtungen, konfessionelle Einrichtungen, gemeinnützige freie Träger, Elterninitiativen, soziale Unternehmer sowie Großunternehmen im Tätigkeitsfeld „Soziales, Bildung und Gesundheit“.
Kommunale Einrichtungen waren einmal neben den konfessionellen die tragenden Säulen der Kinderbetreuung. In den kommunalen Haushalten waren sie als Schwergewichte vertreten. Und da große Haushaltspositionen in schwierigen Zeiten als erste den Rotstift zu spüren bekommen, geriet dieser Bereich sicherlich rasch in das Blickfeld der Haushaltenden. Dazu kam, dass sich viele Kostenfaktoren der Kinderbetreuung in anderen Haushaltspositionen verbargen: Freiflächen betreute der untere Naturschutz, bauliche Maßnahmen das Hochbauamt, Verwaltungsaufgaben das Jugendamt oder die Lohn-/Finanzbuchhaltung.

Die Übertragung von kommunalen Einrichtungen in eine freie Trägerschaft war daher eine gern aufgegriffene Sparmaßnahme. Doch kann man von einer Sparmaßnahme sprechen, wenn doch sämtliche bisher entstandenen Kosten in Form eines Kostenblattes oder Landes- und Kommunalzuwendungen übergeben wurden? Mitnichten! Kein Land und keine Kommune konnte zum Zeitpunkt einer Übertragung sicher benennen, was an tatsächlichen Kosten zugrunde zu legen war. Nun ist das bei den Lohnkosten auf den ersten Blick noch leichter ermittelbar. Schließlich sagen die Lohntabellen sehr genau, was jeder bekommt, dazu der Arbeitgeberanteil. Doch wäre auch das nur eine Momentaufnahme. Daher definierte man ein Beschäftigtenprofil mit einem bestimmten Durchschnittsalter und Familienstand, einer Durchschnittskinderzahl und was sonst noch den Lohn beeinflussen könnte, und legte dies als pauschalen Wert zugrunde. Hat jedoch eine Kita mehr älteres Personal, deckt diese Pauschale die Lohnkosten nicht ab. Beschäftigt sie mehr Jüngere, könnte sie ein Plus erwirtschaften. Ideal wäre ein Ausgleich.

Das Problem mit den Sachkosten

Viel schwieriger gestaltete sich die Definition der Sachkosten. Wie oben beschrieben, fielen nicht nur jene Kosten tatsächlich an, die im Haushalt unter der Position „Kita“ zu finden waren. Da also niemand die wirkliche Höhe der Kosten ermitteln konnte, hat man Schätzungen vorgenommen. Dass diese nun bestimmt nicht zu großzügig ausgelegt wurden, lässt sich unschwer erahnen. Ein Teil der Länder besitzt eigene Einrichtungen, beispielsweise Berlin in Form seiner Eigenbetriebe. Andere Länder führen selbst keine Einrichtungen mehr. Haben erstere noch den unmittelbaren Zugang zu den tatsächlich anfallenden Kosten, geht letzteren das Gefühl dafür vollständig verloren. Infolgedessen erwarten manche Länder, dass die freien Träger bei einer Reihe von Kosten in Vorleistung gehen. Erst danach fällt eine Entscheidung, inwieweit diese Ausgaben anerkannt und auch erstattet werden. Doch wie sollen die freien Träger diese Vorleistungen finanzieren – und erst recht die nicht erstatteten Leistungen?

Eigenanteil der freien Träger

Doch damit nicht genug. Jedes Bundesland definierte die Höhe eines Eigenanteils, den ein freier Träger erbringen muss. Sprich, von der ermittelten Lohn- und Sachkostenpauschale werden nicht 100 Prozent zur Verfügung gestellt, sondern 92, 93 oder 95,5 Prozent, je nach Landespolitik. Und wenn es ganz spitz zugeht, möge bitte der freie Träger nachweisen, wie er den Eigenanteil erwirtschaftet. Ein Handlungsfeld für sich sozial engagierende Milliardärinnen und Milliardäre?

In anderen Worten: Eine gemeinnützige Organisation soll, wenn sie Kinder betreuen darf, sich nicht nur dieser Aufgabe annehmen, sondern quasi als Zugangsberechtigung diese Betreuungsleistung mit eigenen Mitteln oder Leistungen bezuschussen. Das ist in dieser Form wohl einmalig.

Unternehmen gewähren teilweise einen Preisnachlass. Da muss das Unternehmen nicht nachweisen, wie es ihn erwirtschaftet. Letztlich zieht es jedoch den Nachlass von seiner Gewinnspanne ab. Das setzt voraus, dass das Unternehmen eine solche hat. Doch bei einer Bemessung von Lohnmitteln nach einem Durchschnittswert und einer Sachkostenpauschale ist eine realistische Position „Gewinnmarge“ nicht bezifferbar.

Leider zeigt sich in der Praxis, dass die gewährte Sachkostenpauschale erheblich unter den tatsächlichen Kosten liegt. Das Land Berlin hatte eine Gestehungskostenanalyse in Auftrag gegeben, um dann feststellen zu müssen, dass die tatsächlichen Kosten je nach Größe der untersuchten Kindertagesstätten zwischen 17 und 38 Prozent über der gewährten Finanzierung lagen. Dies wird nun durch eine schrittweise Anpassung der Sachkostenpauschale (ca. zwei Prozent pro Jahr) in den kommenden Jahren angepasst. Sofern keine zusätzlichen Kostengruppen hinzukommen, hätten wir es schon in 17 Jahren geschafft. Doch leider kommen fast jährlich neue Kostengruppen hinzu, die zum Zeitpunkt der Kostenblattermittlung noch keine Berücksichtigung fanden.

Nun könnte man fordern, dass Träger eine 100-Prozent-Finanzierung erhalten, die bei zu erwartenden Investitionen auf 105 oder 109 Prozent zu erhöhen wäre. Das kling zunächst logisch, birgt jedoch eine Fehlerquelle: Welcher Betrag wird als 100-Prozent-Marke zugrunde gelegt? Das Berliner Beispiel mit den Sachkosten und dem Ergebnis der Gestehungskostenanalyse belegt, dass Prozentzahlen allein das Problem nicht lösen. Berlin gewährt in diesem Jahr 95,5 Prozent der Lohn- und Sachkosten. Doch wenn die gewährten Sachkosten allein schon 30 Prozent unter den tatsächlich anfallenden Kosten liegen, was nutzt den Kitas dann eine Erhöhung von 95,5 auf 100 Prozent? Wichtiger ist doch, ob die tatsächlich anfallenden Kosten in diese Rechnungen eingehen.

Zweierlei Maß bei der Förderung

Wenn ein (gewinnorientiertes) Unternehmen sich ansiedeln möchte, überlegen Land und Kommune, wie sie das Unternehmen an sich binden können. Günstige Gewerbegrundstücke, Investitionszuschüsse, Fördermittel, bevorzugte Behandlung bei Baugenehmigungen fließen in die Überlegungen mit ein. Wenn ein Land seine bisher kommunal geführte Wasserversorgung nicht mehr selbst betreiben möchte, wird diese an (gewinnorientierte) Unternehmen übertragen und mit einer unabhängig vom Umsatz garantierten Gewinnmarge untersetzt (siehe Land Berlin).

Nur im Kitabereich werden die Träger unterfinanziert. Dabei ist hier unstrittig, dass Investitionen erforderlich sind; schließlich wurde ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz verankert, ohne dass die dafür notwendigen Plätze vorhanden sind.

Woher sollen die Investitionsmittel kommen? Förderprogramme! Richtig, das Land oder die Kommune müsste günstige Grundstücke anbieten und für den Bau entsprechende Fördermittel bereitstellen, auch unter Bundesbeteiligung. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus: Grundstücke gibt es keine, die darf man sich als freier Träger auf dem freien Markt selbst suchen, kaufen und bezahlen. Fördermittel gibt es zwar, doch wie schaut es da aktuell aus? Beispiel Berlin: Derzeit bekommen freie Träger eine Investitionsförderung von bis zu 20.000 € pro Platz, die Eigenbetriebe bis 35.000 € pro Platz. Wenn der Senat selbst Fertigteil-Kitas (Mokib) planen lässt, werden dafür bis ca. 60.000 € vorgesehen.

Wer gleicht diese Differenzen aus? Die freien Träger mit ihren exorbitant hohen Gewinnen? Steht überhaupt eine Überlegung dahinter – und wenn, ist diese rational begründet?

Ideologische Schranken?

Diese Fragen stellen sich auch bei der eingangs dargestellten Position. Wie sollen eine Dienstleistung und erforderliche Investitionen erbracht werden, wenn bereits die Möglichkeit, dass Einnahmen die laufenden Ausgaben übersteigen, als nicht annehmbar angesehen wird? Glaubt man wirklich, dass der Betrieb von Kitas ein Hort des übermäßigen Geldverdienens ist? Warum haben dann die Länder und Kommunen diese Aufgaben an andere übertragen? Oder verhindern ideologische Schranken und Mythen, dass die Situation so wahrgenommen wird, wie sie wirklich ist?

 

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