Positionspapier Landesverband Baden-Württemberg

Studienergebnisse bei Infektiosität von Kindern voranbringen, Corona-Maßnahmen auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen


Kindeswohl muss im Vordergrund stehen

Auch nach elf Monaten Corona-Pandemie werden wir nicht müde zu wiederholen, dass Kinder für ihre Entwicklung andere Kinder, ihren Tagesrhythmus, die Gemeinschaft in der Kita, ihre Bezugspersonen und ihre Bewegungsmöglichkeiten brauchen. Kinder brauchen Kinder: Wichtige Kindheitserfahrungen fehlen ihnen sonst. Viele der Pandemie-Maßnahmen stehen zudem in einem Spannungsfeld zu den Erwartungen der Kinder nach Nähe und Geborgenheit. Kinder zählen jetzt schon zu Verlierern der Pandemie und das Jahr 2021 wird weitere Herausforderungen mit sich bringen. Schul- und Kitaschließungen haben erhebliche langfristige negative Folgen für die Fähigkeiten und Potentiale sowie das Wohlergehen der betroffenen Kinder, insbesondere für diejenigen mit Benachteiligungen sozioökonomischer Art. Isolation und Quarantäne stellen für Kinder eine hohe psychische Belastung dar.

Das Wohl des Kindes muss also bei politischen Entscheidungen immer im Vordergrund stehen. Leider ist dies nach elf Monaten Corona-Pandemie immer noch nicht in das Bewusstsein der Entscheidungsträger eingedrungen. Die absurde Debatte um Kontaktbeschränkungen bei Kindern hat dies deutlich gezeigt. In Baden-Württemberg wurde dies Maßnahme glücklicherweise zurückgenommen, aber Familien werden weiterhin weitestgehend mit den Folgen der Einrichtungsschließungen allein gelassen.

Unser Ziel als Deutscher Kitaverband bleibt es, allen Kindern – in einem verantwortbaren Rahmen – Freiräume zu schaffen sowie dauerhaft Zugang zu Betreuung, Erziehung und Bildung zu ermöglichen. Dazu benötigen wir aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse.

 

Wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen

Selbstverständlich brauchen wir Maßnahmen, die geeignet sind, die Pandemie in den Griff zu bekommen: auch in Kindertageseinrichtungen. Nach fast einem Jahr Corona-Pandemie liegen aber immer noch keine eindeutigen Studienergebnisse zur Infektiosität von Kita-Kindern vor. Diese Erkenntnisse sind aber entscheidend, um zweifelsfrei zu klären, ob Kitas, Tagepflegestellen und Horte Pandemietreiber sind oder nicht. Und wie der Kita-Betrieb – aufgrund dieser Erkenntnisse – pandemiegerecht gestaltet werden muss.

Erste Studienergebnisse, wie die des Landesgesundheitsamtes in Baden-Württemberg, hatten darauf hingewiesen, dass jüngere Kinder keine Infektiosität aufweisen. Es ist für uns unverständlich, warum die Untersuchungen nicht fortgesetzt wurden.

Es muss endlich geklärt werden, wie die Infektionswege zwischen Kita-Kindern (möglicherweise auch im Gegensatz zu Schul-Kindern) und Erwachsenen verlaufen – auch bei den Virus-Mutationen. Nur daraus können Konsequenzen für den Kita-Betrieb gezogen werden und die Träger können verantwortlich ihre Strategie entwickeln. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, weitere belastbare Zwischenergebnisse mit den Kita-Trägern zu teilen, um den Kita-Betrieb vor Ort entsprechend sicher gestalten zu können. Auch die angekündigte Meta-Studie, also eine Kombination der Ergebnisse aus mehreren Studien zu diesem Thema, muss kurzfristig vorliegen. Wir können nicht bis Ende des Jahres auf die Resultate der bundesweiten Corona-KiTa-Studie von RKI und DJI warten. Wir benötigen sie jetzt!

 

Pandemiegerechte Öffnungsstrategie nötig

Bei der Pandemie-Bekämpfung ist der rote Faden nicht mehr sichtbar. Die Infektionszahlen sind unwesentlich niedriger als vor dem Lockdown. Die Schritte, wie die bereits erwähnten Kontaktbeschränkungen für Kinder, werden vielfach in Frage gestellt. Nach einem knappen Jahr Corona-Pandemie hangeln wir uns von Maßnahme zu Maßnahme. Warum werden Betriebe, bei denen es möglich ist, nicht verpflichtet, Homeoffice zu ermöglichen, bevor Kitas über Monate geschlossen werden?

Denn bei der Krisenbewältigung ist das Funktionieren der sozialen Infrastruktur entscheidend. Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen sind ein Stabilitätsanker für die gesamte Gesellschaft. Bisher hat die Politik nicht gezeigt, dass sie ihren Ankündigungen auch praktisches Handeln folgen lässt und der frühkindlichen Bildung den Stellenwert einräumt, den sie verdient. Es wurden weder ausreichend Test-Kapazitäten zur Verfügung gestellt noch wurde ausreichend auf technischer oder baulicher Ebene investiert, zum Beispiel beim Einsatz von Luftentkeimungsgeräten.

Von der Politik fordern wir eine konsequente Anti-Covid-Strategie – auch für den Fall, dass Kinder unter sechs Jahren ansteckender sind als gedacht. Wir fordern eine mit den Trägern erarbeitete pandemiegerechte Öffnungsstrategie für die Kitas. Ebenso fordern wir einen langfristigen Plan für das (Kita-)Jahr 2021, der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt.

 

Erzieher*innen schützen durch Impfung

Erzieher*innen halten seit März den Kitabetrieb aufrecht und sichern dadurch nicht nur die Freiräume der Kinder, sondern auch die Erwerbsarbeit der Eltern. Kinder müssen Bildung und Teilhabe erfahren, soziale Kompetenzen weiter festigen und mit anderen Kindern zusammen sein – die Mitarbeiter*innen in den Kitas sorgen mit ihrer engagierten Arbeit dafür, dass dies auch unter Pandemiebedingungen möglich ist.

Die Erzieher*innen benötigen als systemrelevante Arbeitskräfte im Arbeitsumfeld einer Gemeinschaftseinrichtung und aufgrund ihrer besonderen Gefährdung einen besonderen Schutz. Sie können nicht im Homeoffice arbeiten, sie können bei der Arbeit mit den Kindern keinen ausreichenden Abstand einhalten und Masken tragen. Der Deutsche Kitaverband fordert daher, dass Erziehende in Baden-Württemberg prioritär auf freiwilliger Basis gegen Corona geimpft werden.

Das Personal in Kitas ist in der Impfordnung in Kategorie III (erhöhte Priorität) eingestuft. Wir plädieren dafür, nicht abgerufene Dosen der ersten beiden Kategorien, Erzieher*innen zur Verfügung zu stellen. Dies würde die Ansteckungsangst verringern und zur Motivation bei den Fachkräften beitragen.

 

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