Der Deutsche Kitaverband kritisiert die ungleiche Bezuschussung von Einrichtungen freier Träger und den Eigenbetrieben des Landes. Dieser Beitrag zeichnet den Verlauf einer Entwicklung nach, die zur eindeutigen Schlechterstellung von Kindertagesstätten in freier Trägerschaft führte.

Als sich das Land Berlin in einer Zeit gewaltiger Haushaltsprobleme entschloss, Kitas an freie Träger einerseits und überbezirkliche Träger (Eigenbetriebe) andererseits zu überführen, ging es um die Erreichung folgender Ziele:
  • eine deutliche Kostenreduzierung im Kitabereich,
  • eine einheitliche Finanzierung in der Einheitsgemeinde Berlin und damit die Schaffung einer tatsächlich nutzbaren Planungsgrundlage
  • Qualitätsentwicklung und Angebotsvielfalt in der Kindertagesbetreuung
  • Abbau des Sanierungsstaus bei den öffentlichen Kitabauten
Die Autonomie der Bezirke im Hinblick auf den Ressourceneinsatz und die Veranschlagung von Haushaltsmitteln für den Bereich Kindertagesstätten in verschiedenen bezirklichen Haushaltstiteln führte in der Vergangenheit zu sehr heterogenen Ausstattungsstandards der Einrichtungen. Eine Folge: erhebliche Qualitätsunterschiede in den städtischen Einrichtungen, die für die Nutzerinnen und Nutzer nicht nachvollziehbar waren. Verlässliche Aussagen, welche tatsächlichen Kosten pro Kitaplatz anfielen, waren nur näherungsweise möglich. Denn für die Kitas der öffentlichen Träger gab es keine individuellen einrichtungsbezogenen Kostenaufstellungen. Der Kitahaushalt, einer der größten im bezirklichen Haushalt, enthielt nicht alle Kosten. Weitere Kosten versteckten sich in unterschiedlichen anderen Positionen und Etats, zum Beispiel im
  • Personalverwaltung des Bezirksamtes,
  • Bauabteilung, Hoch- und Tiefbau,
  • Grünflächenamt,
  • Grundstücksmanagement,
  • Beschaffungs- und Antragswesen
  • Etat des Stadtrates und Bürgermeisters als Fachverantwortlicher und oberster Dienstherr.
Eine kitabezogene Steuerung dieser Kosten war so nicht möglich.
Der Einspareffekt des Landes ergab sich aus unterschiedlichen Parametern:

Träger erhalten nur 91 Prozent der angenommenen Kosten

Da eine exakte Kostenermittlung nicht möglich war, legte das Land bei der Trägerbezuschussung nur ein Durchschnittwert der anzunehmenden Kosten zu Grunde.  Die Gefahr, dass dieser zu großzügig bemessen sein könnte, kann wohl aufgrund der damaligen prekären Haushaltslage ausgeschlossen werden. Von dieser ermittelten Größe wurden den Trägern zudem lediglich 91 Prozent ausbezahlt. Allein hierdurch konnten jährlich ca. 290 Millionen Mark eingespart werden.

Nur für belegte Plätze fließen Zuschüsse

Ferner finanziert das Land Berlin nur die belegten Plätze. Wenn also zum 1. August die künftigen Schulkinder die Kita verlassen, endet deren Finanzierung und das Land spart ca. 1/5 der sonst im August anfallenden Platzfinanzierung. Die Einrichtungen erreichen etwa im Dezember wieder die volle Auslastung der Hauskapazität. Die Personal- und Sachkosten bleiben den Trägern jedoch auch in diesem Zeitraum vollständig erhalten. Es ergibt sich einen Finanzierungslücke. Ein teilweiser Ausgleich ist dadurch gegeben, dass das Land die jahresdurchschnittliche Kind-Personal-Relation mit 95 Prozent veranschlagt. Liegen die Kitas im August, September deutlich über 100 Prozent, da ja weniger Kinder betreut werden, sind in den Frühjahrsmonaten durch eine Überbelegung zumeist Werte von 85 bis 90 Prozent gegeben. In jüngster Zeit erwartet der Senat jedoch eine durchschnittliche 100-Prozent-Quote. Sollte dies das Ziel sein, wäre zu klären, wie das finanzielle Defizit der Monate August bis Dezember ausgeglichen werden soll.

Sachkosten entsprechen nicht dem Bedarf und heutigen Preisen

Der Sachkostenanteil, den der Senat annahm, war von Anfang an sehr knapp bemessen. Dass, wie oben geschildert, viele Kosten nicht im eigentlichen Kitahaushalt der Bezirke auftauchten, mag eine Erklärung dafür sein.
Auch Bedarfe für Sanierung und Investitionen bezogen der Senat nur partiell in die Berechnung ein. Doch fast alle Häuser waren von einem Sanierungsstau betroffen. Da das Land jedoch kaum Mittel für dessen Auflösung zur Verfügung gestellt stellte, lag hier ein weiteres Einsparpotential. Den Sanierungstau übergab der Senat einfach an den jeweiligen Träger, dem er die Einrichtung inklusive Betriebserlaubnis übergab. Standen dringend erforderliche Sanierungsmaßnahmen an, wurde die Betriebserlaubnis nicht selten mit den entsprechenden Auflagen für eine Instandsetzung erteilt.
In den Folgejahren sind Sachkostenanteile hinzugekommen, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht relevant waren (Fettabscheider, Trinkwasseruntersuchungen, Rauchmelder etc.). Aufgrund des seit Jahren anhaltenden Baubooms, haben sich Handwerkerleistungen überdurchschnittlich verteuert. Anpassungen, die knapp die Inflationsrate ausgleichen, haben die Unterfinanzierung verstärkt.

Tatsächliche Kostensteigerungen

Jahr      Steigerung Sachkosten
2001         —
2002         —
2003         —
2004         —
2005         —
2006         —
2007         —
2008         —
2009         —
2010       1,0 %
2011         —
2012       1,0 %
2013         —
2014       1,0 %
2015       1,0 %
2016       1,0 %
Neben den Ausgaben für den Betrieb und Erhalt der Freiflächen und Gebäude sind auch die Lohnkosten für die technischen Kräfte in den Sachkosten enthalten (Küche, Hausmeister*in, Gärtner*in). Diese sind somit von den tariflichen Entwicklungen völlig entkoppelt.

Unterfinanzierung bestätigt

Eine vom Senat durchgeführte Gestehungskostenanalyse erfasste die tatsächlichen Sachkostenausgaben des Jahres 2014 ausgewählter Kindertagesstätten. Die Analyse ergab eine deutliche Unterfinanzierung im Sachkostenbereich.
Unterfinanzierung_Tabelle
Als Folge dieser Analyse wird ab 2018 jeweils neben den üblichen Anpassungen noch ein Zuschlag von drei Prozent gewährt, um das ausgewiesene Finanzierungsdefizit schrittweise auszugleichen. Damit ließe sich im Jahr 2028 den Finanzierungsstand von 2014 erreichen, denn die „üblichen“ Zuschläge bewegen sich um die Inflationsrate.

Personalkosten (pädagogisches Personal)

Kitas wurden ab Mitte der 1990iger Jahre bis ca. 2005 an freie Träger übertragen. Von diesem Zeitpunkt bis August 2011 gab es keinerlei Anpassungen der Kostenblätter. 2011 erfolgte die erste Anpassung. Das Land wechselte vom Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zum Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TvL). In der Folgezeit sollten die tariflichen Anpassungen mit Abschlägen in den Kostenblättern wirksam werden (und abzüglich des „Trägeranteils“ von 7 %). Das heißt jede tarifliche Anpassung ab 2011 bis heute führte zu einer Vergrößerung des Abstandes zwischen der Entlohnung im öffentlichen Dienst und bei den freien Trägern (2011 -2017 jeweils 7 %, 2018 6,5 %, 2019 6 % und 2020 5,5 %). Wenn in diesem Jahr eine Annäherung an die Bezahlung der Erzieher*innen nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) erfolgt, bleibt auch diese mit 5,5 % unter dem des öffentlichen Dienstes. Da die Sachkosten ebenfalls unterfinanziert sind, können Träger nicht Mittel aus dem Sachkostenbereich für die Aufstockung der Entlohnung des pädagogischen Personals nutzen. Da auch Elternbeiträge nicht als Lohnausgleich herangezogen werden können, wächst das Defizit. Wenn trotz dieser Situation aus der Politik die Anregung kommt, doch aufgrund der deutlichen Anhebung der Entlohnung (TvL angelehnt an TVöD) Löhne zu zahlen, die den Tarifen des öffentlichen Dienstes entsprechend, stößt dies bei den freien Träger auf Unverständnis. Seinen Eigenbetriebe ermöglicht es das Land jedoch durchaus, ihrem pädagogischen Personal den öffentlichen Tarif zu zahlen. Warum tut des dies nicht auch bei anderen Trägern? Sollte die Finanzierung von freien Trägern und Eigenbetrieben nicht gleich sein?
„Die Eigenbetriebe haben über die Kostenblätter hinaus Zuführungen erhalten, um einerseits Strukturnachteile (Altersteilzeit, Arbeitszeitkonten) ausgleichen zu können. Über die Strukturausgleiche hinaus wurde bzw. wird in den Jahren 2010, 2011 und 2012 ein Ausgleich für die notwendige Bauunterhaltung gewährt. Dieser Ausgleich stellt eine Unterstützung bei der Erbringung des Trägeranteils dar.“ Erkenntnisse des RH von Berlin zur Gründung und Steuerung der Kita-Eigenbetriebe. 106. Sitzung des Haupausschusses vom 08. Juni 2011.
„Die Notwendigkeit eines Nachteilsausgleichs über die Altlastenproblematik (Altersteilzeit, Arbeitszeitkonten) hinaus besteht für die Sachverhalte VBL-Sanierungsgeld, Vergütungsgruppenzulage und Besitzstandsregelung wie in der roten Nummer 2165 I) vom 15.03.2011 beschrieben weiterhin.“ 107 Sitzung des Hauptausschusses 22. Juni 2011
Ein Teil der aufgezeigten Strukturnachteile ist nachvollziehbar, doch beispielsweise Besitzstandsregelungen hatten auch die freien Träger mit der Übernahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst zu tragen. Aber noch deutlicher wird es mit der notwendigen Bauunterhaltung und der Unterstützung beim zu tragenden Eigenanteil. Die übertragenen Kindertagesstätten hatten einen hohen Sanierungsbedarf. Und ein Trägeranteil von anfänglich neun und später sieben Prozent belastet. Doch die einseitige Unterstützung der Eigenbetriebe stellt eine grobe Wettbewerbsverzerrung dar.
„Gemäß Beschluss des Haupausschusses vom 14.03.2018 (rote Nummer 0516 A) sowie der konsolidierten Titelliste zum Sondervermögen Infrastruktur Wachsende Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA IV) stehen für die Kita-Eigenbetriebe seit 2018 im Kapitel 9810, Titel 83048, 15 Mio. € für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen eines Sanierungsprogramms in Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
Der Ansatz von 15 Mio. € soll um weitere 8,26 Mio. € aufgestockt werden. In der 12. Sitzung des SIWANA-Lenkungsgremiums am 01.04.2019 wurde die Umlagerung von Mitteln in der genannten Höhe aus dem Deckungskreis 43 – Unterkünfte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) zu Gunsten des Deckungskreises 2 – Kitabau Hauptverwaltung einstimmig beschlossen. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie bereitet eine entsprechende Hauptausschussvorlage vor.
Um es den Kita-Eigenbetrieben zu ermöglichen, sich verstärkt auch für die Schaffung neuer Plätze zu engagieren, werden ab 2019 im Landesprogramm „Auf die Plätze, Kita, los!“ SIWANA V-Mittel (Kapitel 9810, Titel 84001) in Höhe von 4 Mio. € für die Erbringung des verpflichtenden Eigenanteils bereitgestellt.“ 50. Sitzung des Hauptausschusses vom 21.08.2019, Wirtschaftlichkeit der Kita-Eigenbetriebe: Instandsetzungs- und Erhaltungskosten, Rote Nummer: 0489 D
Die freien Träger haben von 2005 bis heute tausende von neuen Kita-Plätzen geschaffen, die übertragenen Häuser instandgesetzt und saniert. Hierzu haben sie Fördermittel, Bankkredite und Eigenmittel genutzt. Jedoch ist kein Fall bekannt, bei dem ein freier Träger von der Einbringung seines Eigenanteils zur Finanzierung befreit wurde bzw. diesen vom Land gestellt bekam.
Welches Ziel haben Mandatsträgerinnen und -träger im Auge, wenn sie so einseitig Eigenbetriebe fördern?

Personalgewinnungs-Strategie zu Lasten freier Träger?

Das Kostenblatt für die Tarif-Anpassung zum 01.01.2019 war aufgrund interner Abstimmungen der Tarifpartnerinnen und -partner noch im August 2019 nicht verfügbar. Umso überraschter nahmen die freien Träger zur Kenntnis, dass die Eigenbetriebe und Schulen bereits im Juli die neuen Tarifbedingungen für ihre pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwandten – und dass erstaunlicherweise ohne Vorliegen des neuen Kostenblatts. Wie war das möglich und welche Idee steckte dahinter? Sollte hier ein Anreiz für Fachpersonal geschaffen werden, zu den Eigenbetrieben und staatlichen Schulen zu wechseln?
Kurze Zeit später wurde mitgeteilt, dass zum November 2020 die Eigenbetriebe und Schulen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Berlinzulage in Höhe von 150,00 € gewähren können. Leider reichen die finanziellen Mittel des Landes nicht, um die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den freien Trägern ebenfalls zu bedenken. Das hinterlässt ebenfalls den Eindruck, dass Personalprobleme der Eigenbetriebe und Schulen zu Lasten der freien Träger gelöst werden sollen. Nach Absicht des Deutschen Kitaverband widerspricht dieses Vorgehen dem „partnerschaftlichen Umgang“ miteinander, der in der Präambel des Rahmenvertrages formuliert ist.

Übrigens: Das dringend notwendige zusätzlich Fachpersonal wird großteils in Fachschulen in freier Trägerschaft ausgebildet, da die Ausbildungszahlen in den öffentlichen Schulen seit Jahren rückläufig sind.

Fazit

Die Darstellung macht deutlich, dass das Land Berlin die ursprüngliche Idee einer einheitlichen Finanzierung von freien Trägern und Eigenbetrieben spätestens 2010 verließ. Inzwischen kommt die eindeutige Besserstellung der Eigenbetriebe bei der Bezuschussung der Personal- und Sachkosten hinzu.

Aus Sicht der freien Träger ist es wichtig, dass das Land über Kitas in eigener Regie (Eigenbetriebe) verfügt. Nur so hat das Land einen Zugang zu den tatsächlich anfallenden Kosten. Ungleichbehandlungen müssen jedoch deutlicher als bisher angesprochen und künftig vermieden werden, um Trägern aller Formen ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen und somit die Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Kita-Plätzen zu sichern.