Kitabetrieb unter Pandemie-Bedingungen: Notbetreuung regeln, Erzieher*innen schützen, Öffnungsperspektive entwickeln

Der heutige Gipfel mit den Ministerpräsident*innen wird die Weichen für die nächsten Wochen in der Bekämpfung der Corona-Pandemie stellen. Wir erwarten von den Beteiligten planbare, langfristige und nachvollziehbare Beschlüsse – insbesondere zur Öffnungsperspektive für Kitas und dem Schutz der Erzieher*innen.

 

Freiräume für Kinder

Kinder brauchen für ihre Entwicklung andere Kinder, ihren Tagesrhythmus, die Gemeinschaft in der Kita, ihre Bezugspersonen und ihre Bewegungsmöglichkeiten. Kinder brauchen Kinder: Wichtige Kindheitserfahrungen fehlen ihnen sonst. Viele der Pandemie-Maßnahmen stehen jedoch in einem Spannungsfeld zu den Erwartungen der Kinder nach Nähe und Geborgenheit. Kinder zählen jetzt schon zu Verlierern der Pandemie und das Jahr 2021 wird weitere Herausforderungen mit sich bringen.

Unser Ziel als Deutscher Kitaverband bleibt es, allen Kindern – in einem verantwortbaren Rahmen – Freiräume zu schaffen sowie dauerhaft Zugang zu Betreuung, Erziehung und Bildung zu ermöglichen.

 

Studienergebnisse vorantreiben

Selbstverständlich brauchen wir Maßnahmen, die geeignet sind, die Pandemie in den Griff zu bekommen – auch in Kindertageseinrichtungen. Nach fast einem Jahr Corona-Pandemie, weist alles darauf hin, dass Kita-Kinder weniger infektiös sind als die Durchschnittsbevölkerung, aber es liegen immer noch keine eindeutigen Studienergebnisse vor. Diese Erkenntnisse sind entscheidend, dass Kitas, Tagepflegestellen und Horte – auf dieser Grundlage – pandemiegerecht gestaltet werden können.

Wir können nicht bis Ende des Jahres auf die Resultate z.B. der bundesweiten Corona-KiTa-Studie von RKI und DJI warten. Wir brauchen belastbare Zwischenergebnisse, um den Kita-Betrieb vor Ort entsprechend sicher gestalten zu können.

 

Öffnungsperspektive für Kitas

Soziale Folgen für Kinder abwägen

Bei der Pandemie-Bekämpfung ist der rote Faden nicht mehr sichtbar. Nach einem knappen Jahr Corona-Pandemie hangeln wir uns von Maßnahme zu Maßnahme. Die Regelungen in den Bundesländern sind teilweise äußerst unterschiedlich. Die Infektionszahlen sind unwesentlich niedriger als vor dem Lockdown. Die Einschränkungen wurden im privaten Umfeld und in den Bildungseinrichten auf ein Maximum ausgeweitet. An Unternehmen wird lediglich appelliert Homeoffice zu ermöglichen.

Das Gesundheitsrisiko durch Krippen- und Kindergartenkindern muss mit den psychischen und sozialen Auswirkungen für Kinder abgewogen werden. Zehn Monate Corona-Pandemie bedeuten für ein dreijähriges Kind fast ein Drittel Lebenszeit im Ausnahmezustand – für einen Erwachsenen sind es „nur“ zehn Monate. Die Kleinsten, die die mutmaßlich geringste Infektiosität mitbringen, tragen bei Kitaschließungen momentan die größten Einbußen. Ihre Sozialkontakte sind ausschließlich von persönlichen Treffen abhängig.

Kitas sind Teil der sozialen Infrastruktur, die für das Funktionieren der ganzen Gesellschaft von Bedeutung ist. Ein isolierter Lockdown für Kitas verlangsamt und stoppt die Pandemie nicht. Dies wäre nur durch strenge gesamtgesellschaftliche Maßnahmen zum Unterbinden der Infektionsgefahr zu erreichen.

Weitere Pandemie-Maßnahmen müssen zuerst in Abstimmung mit den Unternehmen gesucht werden (z.B. verpflichtendes Homeoffice) bevor Kitas noch strenger reglementiert werden.

Notbetreuung einheitlich regeln

Die aktuellen Regelungen zur Notbetreuung sind ein weiteres Beispiel für unverständliche Maßnahmen der Bundesländer. In neun Bundesländern sind die Kitas weiterhin geöffnet, es wird an die Eltern appelliert ihre Kinder zu Hause zu lassen. Sieben Bundesländer haben die Kitas geschlossen und eine Notbetreuung eingerichtet.

In der letzten Woche haben wir in den Einrichtungen bereits eine Steigerung der Betreuungsquoten festgestellt, z.B. 74 Prozent unter unseren Trägern in NRW. Wir erwarten trotz der Regelungen zum Kinderkrankengeld eine weitere Steigerung des Betreuungsbedarfs in den kommenden Wochen, wenn die Bedingungen der Erwerbsarbeit nicht an die Pandemiebedingungen angepasst werden.

Regelungen vor Ort – angepasst an die Bedarfe und Rahmenbedingungen der jeweiligen Kita – sichern ein Mindestmaß an Flexibilität und Individualität. Wir können nicht wieder auf das System der Notbetreuung nur für Kinder von Eltern aus systemrelevanten Berufsgruppen zurückfallen. So haben Kinder aus Familien mit zwei erwerbstätigen Eltern, mit einem alleinerziehenden Elternteil oder aus sozial beeinträchtigten Familien besonderen Betreuungsbedarf. Wir brauchen nachvollziehbare Anspruchskriterien und eine definierte Obergrenze der zugelassenen Auslastungsquote. Träger und Eltern können hier gemeinsam verantwortliche Entscheidungen treffen.

Träger, Eltern und Unternehmen brauchen einen bundeseinheitlichen Rahmen mit der Möglichkeit flexibel auf die Gegebenheiten vor Ort zu reagieren.

Bundeseinheitliche Öffnungsperspektive

Wir brauchen eine langfristige Perspektive für eine Kinderbetreuung für alle Kinder. Wir begrüßen, dass sich Ministerin Giffey kürzlich für eine einheitliche Linie der Bundesländer bei der Kita-Öffnung ausgesprochen und für die kommenden Wochen und Monate ein Stufenmodell auf dem Weg zum geordneten Kitabetrieb vorgeschlagen hat.

Der Deutsche Kitaverband fordert für den Kitabetrieb unter Pandemiebedingungen schon lange ein transparentes, bundesweit einheitliches Vorgehen, dass sich als Stufenplan an der 7-Tage Inzidenz der Bundesländer orientiert und langfristige Orientierung bietet.

Wir plädieren für eine mit den Trägern erarbeitete pandemiegerechte Öffnungsstrategie für die Kitas; ebenso wie für einen langfristigen Plan für das (Kita-)Jahr 2021, der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt.

 

Pädagogische Arbeit ermöglichen – Erzieher*innen schützen

Erzieher*innen halten seit März den Kitabetrieb aufrecht und sichern dadurch nicht nur die Freiräume der Kinder, sondern auch die Erwerbsarbeit der Eltern. Kinder müssen Bildung und Teilhabe erfahren, soziale Kompetenzen weiter festigen und mit anderen Kindern zusammen sein – die Mitarbeiter*innen in den Kitas sorgen mit ihrer engagierten Arbeit dafür, dass dies auch unter Pandemiebedingungen möglich ist.

Eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung mit motivierten Fachkräften kann nur mit einer entsprechenden Personalabdeckung funktionieren. Ausfälle der pädagogischen Fachkräfte haben unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeit in der Kita. Die Erzieher*innen benötigen als systemrelevante Arbeitskräfte im Arbeitsumfeld einer Gemeinschaftseinrichtung und aufgrund ihrer besonderen Gefährdung einen besonderen Schutz.

Um den Mitarbeiter*innen und Kindern in den Kitas den bestmöglichen Schutz zu ermöglichen braucht es einen bundeseinheitlichen und verlässlichen Rahmen der Politik.

  • Das Personal in Kitas ist in der Impfordnung in Kategorie III eingestuft. Die Impfstrategie sollte modifiziert werden und Impfungen wo möglich den Erzieher*innen auf freiwilliger Basis zugänglich gemacht werden. Z.B. sollten Impfstoffe, die vor allem bei Nicht-Risikogruppen einen guten Schutz bieten, zuerst verstärkt bei Erzieher*innen eingesetzt werden. Nicht abgerufene Dosen der ersten beiden Kategorien könnten Erzieher*innen zur Verfügung stehen und in den zentralen Zentren auf freiwilliger Basis geimpft werden.
  • Bereitstellung von kostenlosen FFP2-Masken für Erzieher*innen in den Kitas für alle Kontakte außerhalb der Kohorten. Lehrer*innen haben diese Möglichkeit bereits, Erzieher*innen, die körperlich viel näher an den Kindern sind, bisher nicht.
  • Einsatz von geeigneten Luftentkeimungsgeräten für unterschiedlich große Räume Mittel aus dem Kita-Investitionsprogramm des Bundes müssen schneller abzurufen sein.
  • Bundesweit einheitliche Regelungen zum anlassbezogenen Einsatz von Schnelltests für Erzieher*innen.

 

Positionen des Deutschen Kitaverbands

  • Zwischenergebnisse zur Infektiosität von Kindern zur Verfügung stellen.
  • Weitere Pandemie-Maßnahmen in Abstimmung mit den Unternehmen suchen – Kitas nicht noch strenger reglementieren.
  • Notbetreuung in bundeseinheitlichem Rahmen mit verantwortungsvollen Entscheidungsmöglichkeiten für Träger und Eltern.
  • Öffnungsstrategie und langfristigen Plan für das (Kita-)Jahr 2021 mit den Trägern entwickeln.
  • Bundeseinheitlicher, verlässlicher Rahmen zum Schutz der Erzieher*innen: Impfstrategie modifizieren, FFP2-Masken für Erzieher*innen bereitstellen, Luftentkeimungsgeräte, Schnelltests für Erzieher*innen.

 

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