Positionspapier Landesgruppe Berlin
Berliner Senat spaltet die Kitalandschaft – Freie Träger fordern Planungssicherheit und gleiche Bedingungen für gleiche Arbeit
Hintergrund
Die Planung der Berliner Senatsverwaltung beim Kitaplatz-Ausbau geht an der Wirklichkeit vorbei. Bis zum Jahr 2026 gibt es einen errechneten Bedarf von 26.000 neuen Kitaplätzen. Die freien Träger betreiben aktuell 80 % der Kitaplätze in Berlin und stemmen einen Großteil des Kitaplatzausbaus. In den vergangenen Jahren wurden vorrangig von den freien Trägern ca. 3.600 Kitaplätze pro Jahr neu geschaffen. Das Land wollte 6.780 pro Jahr laut eigener Planung realisieren. Damit besteht eine Lücke im Betreuungsangebot.
Die freien Träger wollen ihrer Aufgabe nachkommen und genügend Kitaplätze für alle Berliner Kinder zur Verfügung stellen. Sie brauchen jedoch Planungssicherheit, um dies zu erfüllen.
Mit den Maßnahmen der letzten Wochen wird diese Situation noch verschärft. Der an den Senat zurückzuzahlende Solidaritätsbeitrag und die exklusive Hauptstadtzulage nur für Beschäftigte in den Eigenbetrieben benachteiligen die unabhängigen Träger gegenüber den kommunalen Eigenbetrieben.
Es wird unnötigerweise ein Keil zwischen die freien Träger und die Eigenbetriebe getrieben. Dabei ist die Aufgabenstellung für alle Träger die gleiche: eine hochwertige Betreuung für alle Berliner Kinder sicherzustellen und den Rechtsanspruch der Eltern zu erfüllen.
Planung für Kitaausbau ist unrealistisch
Der Paritätische Wohlfahrtverband hat bereits richtigerweise auf die Fehlplanung hingewiesen, die wir noch ergänzen: Bis 2026 braucht Berlin 26.000 neue Kitaplätze. Um diese Summe zu erfüllen, müssten bis 2022 nach Planung der Senatsverwaltung alleine 15.000 Plätze geschaffen werden. Doch in diesem Zeitraum werden keine Fördermittel zur Verfügung stehen. Eine Begründung dafür gibt es nicht.
Zwischen 2015 und 2019 konnten lediglich 14.000 Plätze geschaffen werden – gerundet also 3.000 Plätze pro Jahr. Rund 15.000 Plätze hätten es laut damaliger Kitaentwicklungsplanung mehr sein müssen. Langwierige Bauantragsverfahren, fehlende Grundstücke, nicht ausreichende finanzielle Mittel und zu wenig Personal sind die Gründe, warum nicht mehr Plätze entstehen konnten.
Nun sollen laut aktueller Kitaentwicklungsplanung 26.000 Plätze bis 2026 geschaffen werden. Da 2021/22 keine Fördermittel im Haushalt vorgesehen sind, werden in Planung befindliche und neue Projekte ruhen. Das hieße: In den Jahren 2023 bis 2026 wären jene 26.000 Kitaplätze zu realisieren.
Es ist unrealistisch in 4 Jahren 6.500 Plätze pro Jahr schaffen zu wollen, also doppelt so viele, wie bis dato pro Jahr realisiert wurden. Wozu dient eine Planung, die an der Realität vorbeigeht? Einerseits wird ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz garantiert und andererseits werden Eltern und Träger mit einer Planung konfrontiert, die genau dieses Recht bricht. Wir sollten jetzt darüber nachdenken, wie die Lücke von ca. 14.000 Plätzen im Jahr 2026 vermieden werden kann. Denn auch woher das Kita-Personal für die zusätzlichen Einrichtungen kommen soll, ist eine weitere zentrale Frage.
Der Senat muss sich endlich mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen, damit realistische Planungen entstehen und nicht Zahlen in den Raum gestellt werden, die niemand – auch die Eigenbetriebe nicht – erfüllen kann.
Finanzielle Mittel reichen nicht aus
Die freien Träger, die das Gros der neuen Kitaplätze schaffen, bekommen von der Senatsverwaltung als Investitions-Zuwendung maximal 20.000 Euro pro Platz. Die Schaffung eines Kitaplatzes kostet realistischer Weise fast das Doppelte. Dem gegenüber können die Eigenbetriebe mit 35.000 Euro pro Platz rechnen, der Senat baut seine MoKibs (Mobile Kitabauten) sogar für 60.000 Euro pro Platz. Es ist unverständlich, wieso ein Kita-Platz für einen freien Träger weniger kosten sollte, als für die kommunalen Eigenbetriebe.
Der Senat muss die Fördergelder für den Kitaplatz-Ausbau entsprechend für freie Träger und Eigenbetriebe angleichen.
Träger werden doppelt zur Kasse gebeten
Im Zuge der Corona-Pandemie tragen alle Kita-Träger in Berlin mit engagierten Fachkräften dazu bei, allen Kindern Freiräume zu schaffen sowie dauerhaft Zugang zu Betreuung, Erziehung und Bildung zu ermöglichen.
Die Rückforderung des Senats in Form des Solidaritätsbeitrags ist eine im Bundesgebiet einmalige Handlung einer Landesregierung. Das Argument der eingesparten Sachkosten während des Lock-Downs greift zu kurz: alle Träger haben massiv in zusätzliche Reinigung, Hygienemaßnahmen und Digitalisierung investiert, viele haben Luftreiniger und Co2-Messgeräte beschafft. Diese Mehrkosten sind bei weitem nicht durch die eingesparten Lebensmittelkosten ausgeglichen. Das war sicherlich auch bei den Eigenbetrieben der Fall.
Als vermeintliche Anerkennung der Leistung der Fachkräfte schüttet der Senat auf der anderen Seite Gelder in Form einer „Heldenprämie“ an die Träger aus. Ursprünglich sollten alle Erzieher*innen im Land Berlin die gleiche Prämie bekommen. Doch dies wurde ohne Rücksprache mit den Trägern geändert. Die Mitarbeiter*innen der Eigenbetriebe erhalten zwischen 500 und 1.000 Euro Prämie. Mitarbeiter*innen der freien Träger erhalten Beträge zwischen 50 bis 150 Euro.
Es grenzt an Hohn, dass der Senat die freien Träger ermuntert, den Anteil bis zur vollen Summe von 1.000 Euro aufzustocken. Die Träger sollen zum einen die Heldenprämie ausgleichen und zum anderen noch einen Solidaritätsbeitrag an das Land Berlin zahlen. Die Spaltung der Berliner Trägerlandschaft wird dadurch weiter vorangetrieben: Die freien Träger mit 80% der Plätze auf der einen und die städtischen Eigenbetriebe auf der anderen Seite.
Der Senat muss auch die Mitarbeiter*innen der freien Träger als seine Partner sehen, denn diese erbringen die gleiche Leistung wie landeseigene Angestellte zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz.
Hauptstadt-Zulage spaltet die Berliner Träger
Die Hauptstadt-Zulage ist ein zusätzlicher Spaltpilz für die Berliner Kita-Landschaft und zudem eine Provokation der Tarifgemeinschaft der Länder. Die Beschäftigten der städtischen Eigenbetriebe erhalten ab November 2020 jeden Monat 150 Euro mehr als die Angestellten der freien Träger – für die gleiche Arbeit.
Der aktuelle TV-L-Abschluss sieht neben den Gehaltsanpassungen für 2021/22 eine Corona-Einmalzahlung in Höhe von 600 Euro bzw. 300 Euro vor. Da üblicherweise die Tarifabschlüsse Grundlage für die Zuwendungen des Senats an die freien Träger sind, wäre dies eine Gelegenheit gewesen, jene Ungleichbehandlung abzumildern. Doch auch diese Chance verstreicht ungenutzt. Die Erzieher*innen der 270 Berliner Eigenbetriebs-Kitas erhalten mehr Geld für die gleiche Arbeit, die Angestellten in den 2.800 freien Kitas haben das Nachsehen.
Angesichts des sich zuspitzenden Fachkräftemangels versucht der Senat hier, sich mit unlauteren Mitteln einen Vorteil zu verschaffen und sehr offensichtlich um Erzieher*innen zu werben. Maßnahmen die einseitig zum Vorteil der Eigenbetriebe ergriffen werden, führen zu einer Verschlechterung der Qualität in der gesamten Kitalandschaft und zu einem massiven Vertrauensverlust bei 80 % der Familien und Beschäftigten. Es ist fraglich, ob die Eigenbetriebe diese Art der Personalpolitik wirklich wollen.
Unsere Positionen
Die freien Träger tun alles dafür, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, brauchen hierfür aber Planungssicherheit und Beteiligung.
- Für die Planung der Kitaplätze alle Beteiligten (Senatsverwaltung, LIGA, DKV, DAKS, VKMK, LEAK, LAG78) an einem Runden Tisch zusammenbringen und gemeinsam Strategien entwickeln, wie eine qualitativ hochwertige Betreuung für alle Berliner Kinder gelingen kann.
- Die Fördergelder für den Kitaplatz-Ausbau für freie Träger und Eigenbetriebe angleichen.
- Die Mitarbeiter*innen der freien Träger als Partner sehen und Gleichbehandlung ermöglichen, denn sie erbringen die gleiche Leistung wie landeseigene Angestellte.
Download Positionspapier.
Photo by Jason Sung on Unsplash