Der Krieg in der Ukraine schockiert. Er macht uns fassungslos, betroffen und verursacht ein Gefühl von Ohnmacht. Die Menschen in der Ukraine leben in Angst und Schrecken. Familien müssen sich voneinander trennen. Väter verlassen Frauen und Kinder und begeben sich in eine ungewisse Zukunft. In diesem Zusammenhang stelle ich mir viele Fragen: Wie erleben Kinder Krieg? Wie können wir mit Kindern hier über Krieg und die aktuelle Situation sprechen? Was können wir ihnen mitgeben? Wie können wir sie stärken? In diesem Artikel möchte ich einige Gedanken dazu mit Ihnen teilen.

von Peggy Bresnik, freiberufliche Referentin im Bereich Bildung und Erziehung der frühen Kindheit und Kitamanagement, Coach für Einzelpersonen und Teams

Kinder bekommen vielfach Nachrichten über den Krieg in der Ukraine mit, und sie nehmen die innere Anspannung von Erwachsenen, ihre Gespräche und ihr Verhalten wahr. Sie können die Geschehnisse jedoch nicht einschätzen und einordnen. Daher sind sie auf Unterstützung bei der Bewältigung dieser beängstigenden Situation angewiesen.

Kinder brauchen jetzt Erwachsene, die …

  • sich ihrer Vorbildwirkung bewusst sind.
  • authentisch sind und eigene Gefühle und Betroffenheit zeigen.
  • die Situation nicht überspielen oder ablenken. (Die Ängste der Kinder können sich sonst verstärken.)
  • gesprächsbereit sind, auf Fragen der Kinder warten und erst dann antworten.
  • Sorgen und Ängste der Kinder erkennen und ernst nehmen.
  • das kindliche Sicherheitsgefühl durch Zuwendung, Rituale und Orientierung stärken. (Je jünger Kinder sind, desto mehr emotionale Sicherheit benötigen sie.)
  • handlungsfähig sind.
  • Reaktionen der Kinder beobachten und beachten. (Reaktionen setzen oft verzögert ein und können sich z.B. in Konzentrationsschwäche, schlechtem Schlaf und Alpträumen, besonderer Anhänglichkeit, Gereiztheit und/oder Aggressivität zeigen.)
  • Kinder unter sieben Jahren vor angsteinflößenden Darstellungen schützen und für ältere Kinder Medienberichte gut auswählen und dosieren.
  • Resilienz (Widerstandskraft) der Kinder stärken.
  • bei Bedarf Unterstützung annehmen.

Hinweise für die Umsetzung

Drängen Sie Kinder nicht zu einem Gespräch. Antworten Sie auf die Fragen, die die Kinder stellen, und fragen Sie nach:

  • Was weißt du darüber?
  • Was hast du darüber gehört?
  • Was bringt dich auf die Frage?
  • Was/welche Bilder hast du gesehen?
  • Was glaubst du, bedeutet dieses Wort?

So können Sie auf den Wissens- und Entwicklungsstand der Kinder eingehen und sie nicht überfordern. Folgendes können Sie dabei beachten:

  • Sprechen Sie offen über die Ereignisse, beschönigen Sie nichts, aber lassen Sie grausame Einzelheiten sowie Bewertungen aus.
  • Seien Sie authentisch. Formulierungen wie „Ich mache mir auch manchmal Sorgen. Lass uns gemeinsam auf die Suche nach Informationen gehen“ (in den Kindernachrichten, in Büchern…), können hilfreich sein.
  • Senden Sie Signale der Zuversicht. Richten Sie die Aufmerksamkeit auf positive Aspekte (internationale Anteilname und Unterstützung, Solidarität und Demonstrationen)
  • Gerade Kinder im „magischen Alter“ ergänzen Wissenslücken gerne mit Hilfe ihrer Fantasie. Bleiben Sie daher möglichst sachlich und übertragen Sie Ihre Ängste nicht auf die Kinder.
  • Wieviel Information ein Kind braucht, ist individuell sehr unterschiedlich.
  • Setzen Sie an der Welt und den Begriffen von Kindern an: z.B. Krieg = Streit mit Waffen; Konflikt = Streit, Missverständnis; Präsident = Bestimmer, Anführer; Flucht = Weglaufen.

Kinder brauchen Parteilichkeit

Vermeiden Sie jedoch Wertungen wie Gut und Böse – besonders im Hinblick auf betroffene Familien. Vermitteln Sie einen konstruktiven Umgang mit Konflikten. Jeder hat in einem Konflikt seine Meinung. Aber gemeinsam können die Konfliktpartner*innen gute Einigungen finden. Sprechen Sie mit den Kindern auch über Frieden, Freundschaft, Gemeinschaft … und nutzen Sie passende Bücher und Geschichten zum Thema.

Beispiele für Formulierungen für Kinder:

„Was ist Krieg?“: „Krieg ist ein Streit mit Waffen. Zwei Länder streiten nicht mehr nur mit Worten, sondern benutzen Waffen. Sie wollen ihre Meinung den anderen aufzwingen und schicken ihre Soldat*innen aus, um gegeneinander zu kämpfen.“

„Sterben da Menschen?“: „Ja, leider sterben im Krieg auch Menschen. Es gibt aber auch so etwas wie einen Vertrag, um die Bewohner*innen im Land vor den Auswirkungen eines Krieges zu schützen. Wenn Menschen verletzt werden, dann gibt es auch im Krieg Ärzt*innen und Krankenpfleger*innen, die den Menschen helfen.“

„Kommt der Krieg auch zu uns?“: „Deutschland ist ein sicheres Land. Wir leben hier in Sicherheit. Ich passe auch immer gut auf dich auf!“

Thematisieren Sie den Krieg nur, wenn Kinder nachfragen. Auf jede ihrer Frage sollten die Mädchen und Jungen eine Antwort erhalten. Informieren Sie die Eltern über die Fragen ihrer Kinder. Dann können die Mütter und Väter besser darauf eingehen, wenn die Kinder die Fragen zuhause wiederholen.

Tipp für Eltern: Sprechen Sie mit Ihren Kindern, wenn möglich, nicht vor dem Zu-Bett-Gehen über diese Themen. Kinder verarbeiten vieles im Schlaf. Schaffen Sie in der Einschlafsituation Sicherheit durch bekannte Rituale und viel Zuwendung.

Was tun, wenn Sie unausgesprochene Ängste bei Kindern wahrnehmen?

Sprechen Sie Ängste an, die Sie bei den Kindern spüren, und signalisieren Sie Gesprächsbereitschaft: „Gibt es etwas, was dir Sorgen macht?“, „Du kannst immer mit mir reden.“ Bedrängen Sie die Kinder jedoch nicht.

Mit Kindern gemeinsam ins Handeln kommen

Spenden- und Solidaritätsaktionen können wir gemeinsam mit den Kindern und ihren Familien ins Leben rufen und umsetzen. Zum Beispiel:

  • Spenden sammeln
  • Spendenflohmarkt veranstalten
  • Versteigerungen durchführen
  • Kuchen-/Waffeln-Verkauf organisieren
  • Friedensbilder malen
  • (Wunsch)-Briefe schreiben
  • Wunschblätter gestalten
  • Friedenstauben basteln
  • Friedens-(Wind)-Lichter gestalten
  • Menschenketten bilden
  • Kekse für einen guten Zweck backen
  • Philosophieren mit Kindern

Was können Erwachsene für sich tun?

  • Legen Sie bewusst Medienpausen ein (Push-Nachrichten abschalten, max. ein- bis zweimal täglich offizielle Nachrichten anschauen bzw. lesen).
  • Schauen Sie keine Nachrichten direkt vor dem Zubettgehen.
  • Sorgen Sie für ausreichend Pausen und Schlaf.
  • Fokussieren Sie sich auf das Hier und Jetzt. („Ich bin in Sicherheit.“)
  • Tun Sie bewusst etwas Gutes für sich.
  • Gönnen Sie sich Kleinigkeiten, die Ihnen Freude machen, und halten Sie diese Momente fest z.B. in einem Tagebuch oder auf „Glückszetteln“
  • Bewegung und Sport an frischer Luft machen Sie glücklicher.
  • Mit Ritualen geben Sie sich selbst Orientierung und Halt.
  • Wenn Sie sich an Hilfsaktionen und Demonstrationen beteiligen und Zeichen der Solidarität setzen, sind Sie aktiv und vertreiben das Gefühl der Ohnmacht.

Weiterführende Informationen

Buchempfehlungen für Kinder:

  • „Weltkugel 3: Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Alles über Konflikte“, Louise Spilsbury und Hanane Kai, Gabriel Verlag, 2019
  • „Die Flucht“, Francesca Sanna, NordSüd Verlag, 2016
  • „Das Mädchen mit der Perlenkette. Die Geschichte einer Flucht“, Alexander Jansen und Maneis, Don Bosco Verlag, 2016

Informationen für Kinder:

Informationen für Fachkräfte:

Hilfsangebote:

  • Telefonseelsorge: 0800-1110111, 0800-1110222
  • Elterntelefon (Schulsozialamt): 0800-1110550
  • „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche: 11611

 

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