Landesverband Nordrhein-Westfalen, 13. November 2023

Die anstehende Novelle des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) muss die finanziellen Grundlagen der Kita-Arbeit in NRW in den nächsten Jahren sichern

Mit ihrem Entlastungspakt für die Kita-Träger – Anhebung der Kind-Pauschalen zum Kita-Jahr 24/25 um 10 Prozent sowie eine Überbrückungshilfe für das Jahr 2023 – hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf landesweite Proteste reagiert und „Druck aus dem Kessel“ genommen. Aber auch durch die kurzfristige Finanzierungshilfe ändert sich nichts an den strukturellen Defiziten in der Kita-Arbeit, die sich aus der Anwendung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) in seiner geltenden Form ergeben.

In der Jahresumfrage des Deutschen Kitaverbands geben 74 Prozent der befragten Kita-Träger in NRW an, die Finanzierung in ihrem Bundesland sei (überhaupt) nicht ausreichend.

Es wird deutlich: Nach nur wenigen Jahren verfehlt auch das erst 2020 novellierte Kinderbildungsgesetz (KiBiz) das Ziel einer auskömmlichen Finanzierung der Kita-Arbeit in Nordrhein-Westfalen.

  • So musste sich die Landesregierung NRW dazu entschließen – vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers – die Kind-Pauschalen ab dem Kita-Jahr 2024/25 um 10 Prozent zu erhöhen, denn die durch den Tarifabschluss 2023 entstehenden Finanzierungslücken konnten nicht rechtzeitig durch die im KiBiz vorgesehenen Dynamisierungsregelungen aufgefangen werden.
  • Zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Inkrafttreten der höheren KiBiz-Pauschale ab August 2024 und zur weiteren Entlastung der freien Träger muss die Landesregierung eine einmalige Überbrückungshilfe gewähren, zurzeit sind dafür 100 Millionen Euro vorgesehen. Diese Gelder sollen ab Beginn des nächsten Jahres ausgezahlt werden, um drohende Insolvenzen der Träger abzuwenden.
  • Diese zusätzlichen Ausgaben für die geplante Dynamisierung im Bereich der Kind-Pauschalen und der Überbrückungshilfe stellen nur kurzfristig greifende Maßnahmen zur Unterstützung und Abfederung der Kostensteigerung der freien Träger dar und sind bei über 10.000 Kindertagesstätten in NRW nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Der Deutsche Kitaverband stellt fest:
Unter den derzeit geltenden gesetzlichen Finanzierungsbedingungen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) ist eine qualitativ hochwertige Kindertagesbetreuung zur Gewährleistung des Rechtsanspruchs nicht mehr gesichert.

Die Beratungen und Beschlüsse zur anstehenden Novelle des Kinderbildungsgesetz (KiBiz) müssen sich darauf konzentrierten, die finanziellen Grundlagen der Kita-Arbeit in NRW gerade in den nächsten Jahren sicherzustellen, in denen der Landeshaushalt durch Ausgaben für die Klimawende und die Folgekosten von Krisen und Kriegen – vielleicht noch deutlicher als heute – belastet sein wird.

Als Deutscher Kitaverband plädieren wir dafür, dass Landesregierung und Landtag die Chance nutzen, mit der KiBiz-Novelle die nicht mehr zeitgemäßen Kita-Strukturen in Nordrhein- Westfalen zu verändern und endlich die Weichen zu stellen für eine zukunftsorientierte und krisenfeste frühe Bildung und Betreuung.

Dabei muss nach den aktuellen Erfahrungen der Kita-Träger in Nordrhein-Westfalen mit deutlich gestiegenen Kosten durch Inflation und der Anpassung der Tarif-Vergütungen jetzt gelten:

First things first!

Für den Deutschen Kitaverband NRW sind daher folgende Forderungen in den Beratungen zu einem novellierten Kinderbildungsgesetz (KiBiz) vordringlich:

Den von Kita-Trägern zu erbringenden Eigenanteil abschaffen!

Die Regelung in § 36 Abs. 2 KiBiz, die von den Trägern der freien Jugendhilfe weiterhin Eigenanteile verlangt, ist – trotz Landesrechtsvorbehalts in § 74 a SGB VIII – mit den Anforderungen einer zeitgemäßen Kita-Versorgung nicht vereinbar.

Kinder haben ein Recht auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung (§ 24 SGB VIII). Und frühe Bildung und Betreuung in Kindertagesstätten sind ein unabdingbares Angebot in einer zeitgemäßen Bildungs-Infrastruktur im Wandel zu einer klimaneutralen Industrie-Region.

Kitas unterstützen die Familien und sie tragen dazu bei, dass Eltern ihrer Berufstätigkeit nachgehen können. Um ihre gesetzlichen und gesellschaftlichen Aufgaben leisten zu können, müssen Kitas so ausgestattet sein, dass sie Kinder in hoher Qualität betreuen können.
Der Schlüssel dafür: die gesicherte Finanzierung!

Dagegen führt ein von den Kita-Trägern zu leistender Eigenanteil zur Unterfinanzierung. Mit den geltenden Finanzierungsregelungen im KiBiZ werden aus der Sicht der Deutschen Kitaverbandes rechtlich zudem das Pluralitätsgebot (§ 3 Abs. 1 SGB VIII), das Kooperations-und Subsidiaritätsprinzip (§ 4 Abs. 2 SGB VIII), das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten (§ 5 Abs. 1 S. 1 SGB VIII) sowie der Grundsatz der Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII) sowie der Grundsatz der Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers, § 79 Abs. 2 SGB VIII, gefährdet.

In NRW fehlen aktuell über 80.000 Betreuungsplätze: Dies spricht dringlich dafür, den Kita- Trägern durch eine gesicherte und ausreichende Finanzierung deutlich mehr Spielraum für den weiteren Ausbau von Kita-Plätzen zu schaffen.

Die kostendeckende Refinanzierung langfristig sichern!

Der Deutsche Kitaverband geht davon aus, dass die Kalkulations-Grundlage für die Kind- Pauschalen die deutlich gestiegenen finanzielle Anforderungen an eine zeitgemäße Kita- Landschaft nicht mehr abbildet.

Der Aufwand der Kita-Träger hat sich insbesondere erhöht durch:

  • Kosten zur Durchführung von Fortbildungsangeboten für pädagogische Kräfte und Fachberatungen,
  • Akquisitions-Aktivitäten von geeigneten Fachkräften im In- und Ausland,
  • gesetzliche Anforderungen an Datenschutz, Brandschutz, Hygiene und der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes,
  • Dokumentation und Administration sowie Informationspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden und der erhöhte administrative Aufwand mit dem Bedarf an digitalen Lösungen und zusätzlichen Hard- und Softwarekosten.

Bleibt es bei einer pauschalierten Finanzierung, so muss eine langfristige Sicherung der Refinanzierung über ein krisenfestes Verfahren der Anpassung der Pauschalen an die jeweiligen Kostensteigerungen erfolgen.

Nach § 39 Abs. 1 KiBiz sind die an die Träger gezahlten Mittel – einschließlich des sich aus § 36 Absatz 2 ergebenden Trägeranteils – zur Erfüllung von Aufgaben nach den KiBiz zu verwenden. Dabei sind die Verwaltungskosten auf maximal drei Prozent der Gesamtjahres-Basisförderung beschränkt. Diese gesetzlich vorgegebene Begrenzung führt angesichts eines zunehmenden Verwaltungsaufwands bei den Trägern regelmäßig zu erheblichen Finanzierungslücken.

Die unstrittigen Anforderungen an die Professionalität der Kindertagesstätten ist nur mit professionellen Trägern zu erreichen. Eltern und Kommunen erwarten von den Trägern zurecht ein solides Kita- und Qualitäts-Management, die zeitnahe Bearbeitung von Wartelisten, eine verlässliche Vergabe von Plätzen und vieles mehr.

Die Förderung für Neubauten und Übernahme von Mieten kostendeckend gestalten!

Angesichts gestiegener Miet- und Baukosten kann die Neu-Schaffung von Kita-Plätzen aktuell nur gewährleistet werden, wenn die gesetzlichen Mietpauschalen nach § 34 Abs. 1 KiBiz i.V. § 7 DVO KiBiz mit festen Pauschalen von 11.00 €/qm (in kreisfreien Städten und kreisangehörigen Großstädten) bzw. 8,73 €/qm (kreisangehörige Gemeinde) einschließlich der geregelten jährlichen Steigerungsrate deutlich erhöht werden.

Kontakt:
Landesvorsitzender Klaus Bremen, klaus.bremen@deutscher-kitaverband.de, Tel.: 0163/7721477.
Deutscher Kitaverband. Bundesverband freier unabhängiger Träger von Kindertagesstätten e.V. – Landesverband Nordrhein-Westfalen.

Positionspapier als PDF

 

Foto: Markus Spiske auf Unsplash