Kreativität: Das ist eine Schlüsselkompetenz in unserer komplexen Welt und Name einer Pädagogik, die Menschen befähigen möchte, diese Kompetenz optimal auszubilden. Heidrun Höfler betreibt in diesem Sinne den vom Dachverband Kreativitätspädagogik zertifizierten Kreativitätskindergarten Falkensee zusammen mit einem engagierten Team. Anfang September 2008 nahm die Einrichtung in Falkensee im Havelland bei Berlin ihren Betrieb auf. Der Kindergarten mit Krippe bietet Platz für insgesamt 115 Kinder. Er ist ganztags zwischen 6.00 und 18.00 Uhr geöffnet. In der Kernzeit zwischen 8.00 und 15.00 Uhr sind alle Kinder anwesend.

Heidrun Höfler (links) mit Teammitgliedern

Von der Technik zur Pädagogik

Vor der Wende arbeitete Heidrun Höfler als Diplom-Ingenieurin. Doch der Betrieb wurde dann, wie viele andere auch, aufgelöst. Es fehlte an neuen Arbeitsplätzen. Da hieß es umziehen oder umsatteln. In der Phase des Umbruches entstand die Idee, etwas Neues zu schaffen, und so gründete die Ingenieurin gemeinsam mit Gleichgesinnten im Frühjahr 1991 den gemeinnützigen Verein Cometa. Einer der Satzungsschwerpunkte: die Förderung der Jugendhilfe und der Bildung.

„In diesem Zuge entschied ich mich auch für ein Pädagogik-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin“, berichtet die heutige Trägervertreterin. Denn sie ist überzeugt: „Unser Bildungssystem ist nicht leistungsfähig genug. Wir brauchen neue Wege und Impulse.“ Zu dieser Erkenntnis trug nicht nur das Studium bei, sondern auch eigene Praxiserfahrungen.

Zusatzangebote in den Kindergarten-Alltag integrieren

Als ihr Sohn klein war, entwickelte er viele Interessen: ein Musikinstrument lernen, Schwimmen können, englisch sprechen. „Das hieß: Ich fuhr ihn im Anschluss an meinen Arbeitstag zu diversen Kursen und saß dort dann wartend herum“, erinnert sich Heidrun Höfler. „Das muss doch auch anderes gehen, dachte ich mir.“ Gemeinsam mit ihrem Team entdeckte sie die Kreativitätspädagogik, die ihrer Idee, Zusatzangebote in den Kindergarten-Alltag zu integrieren, einen idealen pädagogischen Rahmen gab.

Hans-Georg Mehlhorn entwickelte die Kreativitätspädagogik

Begründer der Kreativitätspädagogik ist der 2011 verstorbene Leipziger Hochschulprofessor Hans-Georg Mehlhorn, der sich lange forschend mit Intelligenz, Hochbegabung und Kreativität beschäftigte. Auf Grundlage der so gewonnen Erkenntnisse formulierte er eine Pädagogik, die Menschen dabei unterstützt, ihr kreatives Potenzial zu entwickeln und zu nutzen. Ein breiter Fundus an Wissen und Erfahrungen, geistige Flexibilität und Methodenvielfalt bieten die Grundlage dafür, Inhalte eigenständig neu verbinden zu können. So entstehen kreative Lösungen – eine Kernkompetenz für die Gestaltung einer Welt, deren Komplexität zunimmt.

„Was ich nicht kenne, kann ich nicht mögen“

„Jedes Kind verfügt über individuelle Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Intelligenz und Kreativität“, sagt Heidrun Höfler. „Es benötigt jedoch vielfältige Anregungen, um sie entdecken und entwickeln zu können.“ Nach dem Motto „Was ich nicht kenne, kann ich nicht mögen“ macht die Kindertagesstätte den Mädchen und Jungen daher umfangreiche Angebote in den unterschiedlichen Bildungsbereichen. „Ein Eckpfeiler unseres Angebotes ist die Projektarbeit, welche wir über lange Zeiträume verfolgen“, berichtet die Trägervertreterin. „Alle Kinder des jeweiligen, altershomogenen Gruppenverbandes beteiligen sich dann daran. Dadurch entstehen enge Gemeinschaften.“

Projekt „Reise durch die Welt“

Ein solches Projekt ist die virtuelle Reise durch die Welt: „Wir beschäftigen uns dabei zum Beispiel mit der Geschichte Ägyptens, schauen, wie Kinder dort heute leben, kochen ägyptische Rezepte, besuchen thematisch passende Ausstellungen und feiern Karneval unter dem Motto Ägypten.“ Solche Projekte beziehen alle Bildungsbereiche ein: Die Kinder werden zum Beispiel zu ägyptischen Sportler*innen, die Streitwagen fahren, erwerben mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen bei der Beschäftigung mit den Pyramiden oder bringen als Autor*innen, Regisseur*innen und Schauspieler*innen eigene Ägypten-Geschichten auf die Bühne. Die unterschiedlichen Funktionsräume des Kindergartens bieten ihnen dafür einen idealen Rahmen.

Englisch ist zweite Sprache im Kindergarten

Eine Besonderheit und typisch für die Kreativitätspädagogik ist die zweisprachige Erziehung: „Wir haben Muttersprachler*innen im Team, die ausschließlich englisch mit den Kindern sprechen“, erklärt Heidrun Höfler. „So nehmen die Kinder ganz im Sinne des Immersionskonzepts das typische Lautspektrum und die Melodie der Sprache wahr und lernen immer besser, sie zu verstehen.“

Alle lernen Schach

Ebenfalls typisch für einen Kreativitätskindergarten ist die große Rolle, die Strategiespiele einnehmen. Ab dem vierten Lebensjahr erlernen alle Kinder das Schachspielen und entwickeln so ihr logisches und vorausschauendes Denken.

„Die Mädchen und Jungen stehen hier immer wieder vor Herausforderungen. Sie erleben dabei viele Erfolge, aber auch, dass Niederlagen dazu gehören und dass Ausdauer und Disziplin nötig sind, um zum Ziel zu gelangen“, erklärt Heidrun Höfler. Doch keiner ist alleine mit seinen Aufgaben: „Hol‘ dir Hilfe, wenn du es nicht alleine schaffst, lautet der Leitspruch, den wir den Kindern mit auf den Weg geben.“ Das Team lebt den Gedanken vor: „Was wir hier schaffen, ist nur in der Gemeinschaft möglich“, betont die Trägervertreterin.

Werte: Rücksichtnahme auf Mensch und Natur

Auch über den Gemeinschaftssinn hinaus spielt die Wertevermittlung eine große Rolle, zum Beispiel die Rücksichtnahme auf andere Menschen und die Natur. Was das heißt, erleben die Kinder in vielfältigen Alltagssituationen: „Sie erfahren beispielsweise, dass das Zusammenleben angenehmer ist, wenn man sich nicht einfach durch einen vollen S-Bahnwagen drängelt, sondern fragt, ob man vorbeigehen darf“, berichtet die Pädagogin. Auch was Nachhaltigkeit bedeutet, erleben die Mädchen und Jungen hautnah: Sie bringen Recyclingmaterial zum Container, ziehen eigenes Gemüse im Kita-Garten, gehen mit ihren Erzieher*innen zum Einkaufen auf den Markt oder fahren zum Erdbeerpflücken aufs Feld und kochen anschließend gemeinsam Marmelade.“

Mehr Personal als andere Kindergärten in Brandenburg

Die Beispiele lassen erahnen: Mit dem vom Land Brandenburg vorgesehenen rechnerischen Personalschlüssel ist das nicht zu leisten. Die Kita arbeitet daher mit mehr Personal. Dafür greifen die Eltern tiefer in die Tasche und zahlen zusätzliche Beiträge.

„Lernen, lachen, leben“

Doch das lohnt sich. Die Kinder gehen mit viel Freude in ihren Kindergarten. „Lernen, lachen, leben: So lautet unser Wahlspruch“, sagt die Trägervertreterin. „Unsere Fachkräfte sind mit Herzblut bei der Sache und stecken die Kinder mit ihrer Begeisterung für bestimmte Themen an. Zum Beispiel ist eine Gospel-Sängerin für den Musik-Bereich zuständig und ein aktiver Freizeit-Sportler für Bewegung und Sport. Da springt der Funke über.“

Zukunftsvision: Kreativitätsschule

Zukunftspläne schmiedet Heidrun Höfler auch. Ihr Traum: eine Schule, die ebenfalls nach dem Konzept der Kreativitätspädagogik arbeitet und in der Kinder mit Freude lernen. Freien Trägern wie dem Cometa e.V. werde es in Brandenburg allerdings nicht leicht gemacht, eine Schule zu eröffnen. Dabei gäbe es großen Bedarf, sagt Heidrun Höfler. Sie wolle daher weiter dranbleiben. Denn sie denkt seit jeher über Kita-Grenzen hinaus. Ursprünglich war der Cometa e.V. auch Anlaufstelle für Erwachsene, bot ein Freizeitzentrum und führte Projekte mit arbeitslosen Menschen durch. „Leider mussten wir das aufgeben, da sich die Finanzierung nicht langfristig sichern ließ“, bedauert die umtriebige Pädagogin.

Gemeinsam mehr erreichen

Heidrun Höfler sagt: „Wenn wir politisch etwas erreichen wollen, müssen wir uns zusammentun. Daher engagieren wir uns nicht nur im Dachverband Kreativitätspädagogik, sondern auch im Deutschen Kitaverband.“