Kitas sind nicht nur Baustein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern vor allem die erste Bildungsinstitution der Kinder. Eine optimale frühkindliche Bildung in der Kita legt den Grundstein für mehr Potenzialentwicklung, Chancengleichheit und Teilhabe aller Kinder. Es müssen daher für alle Kinder mit Betreuungsbedarf genügend Kita-Plätze zur Verfügung stehen. Die Planung der Berliner Senatsverwaltung beim Kitaplatzausbau geht jedoch an der Realität vorbei. Sie muss aktualisiert und den tatsächlichen Bedarfen von Eltern und Kindern angepasst werden.  

Die freien Kita-Träger betreiben aktuell 80 Prozent der Kitaplätze in Berlin und stemmen einen Großteil des Kitaplatzausbaus. Sie können genügend Kitaplätze für alle Berliner Kinder zur Verfügung stellen, brauchen jedoch Planungssicherheit und ausreichend finanzielle Mittel, um dies zu erfüllen.  

Der Landesverband Berlin des Deutschen Kitaverbands fordert daher von der neuen Landesregierung: 

  • Der Senat muss sich mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen, damit realistische Planungen entstehen und nicht Zahlen in den Raum gestellt werden, die niemand – auch die Eigenbetriebe nicht – erfüllen kann.  

Bevölkerungsprognose realistisch kalkulieren 

Im aktuellen Bericht zur Kita-Entwicklungsplanung betont die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, dass im Jahr 2021 die Zahl der Kita-Kinder stabil gewesen und die tatsächliche Kinderanzahl sogar um rund 9.000 Kinder unter einer früheren Prognose lag. (Drucksache 19/0496, September 2022) Diese Prognose ging für 2025 von 242.000 Kindern aus – entsprechend kalkulierte die SenBJF mit einem Platzbedarf von rund 200.600 Betreuungsplätzen bis 2026. (KEP, 2020) 

Laut aktueller Senats-Prognose steigt die Zahl der unter 6-Jährigen Kinder nun offenbar langsamer: bis 2028 auf etwa 230.000 Kinder. Für 2040 erwartet der Senat gar sinkende Zahlen mit nur noch rund 226.000 Kindern im Kita-Alter. (Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2021 – 2040, mittlere Variante, 2022)  

Das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie FiBS kommt in einer aktuellen Studie allerdings zu der Überzeugung, dass diese Prognosezahlen zu niedrig angesetzt sind. (Policy paper: Eckpunkte eines Masterplans für die Kindertagesbetreuung bis 2030, Januar 2023) Das FiBS erwartet bis 2030 ein weitaus dynamischeres Wachstum in der Altersgruppe 0-5 Jahre mit bis zu 253.000 Kindern 

  • Die SenBJF muss für die Berechnung der Kita-Entwicklungsplanung unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven zur Bevölkerungsentwicklung einbeziehen.  

Kitaplatzbedarf höher als veranschlagt  

Im Jahr 2021 wurden in Berlin 172.477 Kinder betreut und insgesamt 182.205 Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege angeboten bzw. 190.339 Plätze genehmigt. (Bericht zum Kindertagesstätten-Entwicklungsplan) Ausgehend von einem steigenden Betreuungsbedarf der Familien und unterschiedlich dynamischen Bevölkerungsprognosen rechnet das FiBS bis 2030 mit einem Bedarf von 215.000 bis zu 230.000 Kitaplätzen. Der KEP (2020) errechnete noch einen Bedarf von nur 200.600 Kitaplätzen bis zum Jahr 2026. Die laut FiBS notwendige Platzzahl liegt um 15.000 Plätze höher als der im KEP ermittelte Bedarf und um rund 23.000 Plätze höher als die aktuell genehmigten Plätze (bzw. sogar um rund 33.000 höher als die aktuell belegbaren Plätze).  

Verwaltung und Kita-Träger brauchen belastbare Zahlen, um frühzeitig den Bedarf an Kitaplätzen zu erkennen und bei sich abzeichnenden Lücken rechtzeitig gegenzusteuern. Nur so kann eine hohe Teilhabe an frühkindlicher Bildung gewährleistet werden. 

  • Die SenBJF muss realistische Annahmen zu gewandelten Bedarfen für die Entwicklungsplanung treffen und den langfristigen Platzbedarf bis 2030/2040 berücksichtigen.  

Ausreichende Finanzierung sichern  

Um neue Plätze zu schaffen, sollen im Jahr 2023 rund 30 Mio. Euro und für das Jahr 2024 rund 41 Mio. Euro zur Verfügung stehen. (KEP-Bericht, 2022) Das Land Berlin sieht einen Zuschuss in Maximalhöhe von 30.000 Euro pro Platz vor. Dieser wird voll ausgeschöpft werden müssen: Ein neuer Kitaplatz eines freien Trägers kostet aktuell rund 45.000 Euro. (Immer noch günstiger als die MoKib-Bauten mit rund 60.000 Euro Realisierungskosten pro Platz.) Damit könnten die freien Träger aus Landesmitteln lediglich 1.000 bis 1.300 neue Plätze pro Jahr schaffen.  

Für Sanierungsmaßnahmen und den Erhalt von Kita-Plätzen sind im Doppelhaushalt 2022/23 außerdem rund 9,2 Mio. Euro vorgesehen. Damit sollen 2.250 Kita-Plätze in 2022 bzw. rund 2.330 Plätze in 2023 saniert werden, ausgehend von 2.000 Euro Erhaltungskosten pro Platz. Wie man so bis 2026 bzw. 2030 die laut KEP fehlenden 18.000 Plätze (bzw. 33.000 Plätze nach FiBS-Prognose) erreichen will bleibt fraglich.  

  • Die neue Landesregierung muss den freien Kita-Trägern weniger Bürokratie, ausreichende Finanzierung und mehr Verantwortung für einen schnellen Ausbau von Kitaplätzen ermöglichen.  

Ausbau durch Landesmittel finanzieren  

Aktuell sind im Bundeshaushalt bis 2023 trotz des im Koalitionsvertrags erwähnten Vorhabens keine Mittel für ein neues Investitionsprogramm Kita-Ausbau vorgesehen. Die Landesregierung kann sich daher nicht auf eine Finanzplanung mithilfe von Bundesmitteln verlassen und muss den Kitaplatzausbau aus eigenen Mitteln finanzieren, um den Bedarf in der Stadt zu decken.  

  • Die neue Landesregierung muss die finanziellen Mittel zum Kitaplatzausbau seriös kalkulieren und auseichend Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stellen.  

Realistische Bedarfe der Eltern berücksichtigen  

Laut Bericht wählen die meisten Elter als Wunschbetreuungsbeginn den 1. August. Kein Wunder: Zum 31. Juli verlassen die künftigen Schulkinder ihre Kita, die Träger müssen die Plätze so schnell wie möglich wieder belegen, um nicht in eine Unterfinanzierung zu kommen. Zum 1. August haben alle Einrichtungen einen Personalüberhang von durchschnittlich 20 Prozent, den sie nicht finanziert bekommen, da nur belegte Plätze finanziert werden. Es ist naheliegend, dass die Kitas bemüht sind, so rasch wie möglich die offenen Plätze zu belegen. Brauchen Eltern einen Kita-Platz, bleibt daher meist nur der August als Eingewöhnungsmonat – egal wie der tatsächliche Bedarf aussieht. Wer als Wunschbetreuungsbeginn beispielsweise den Februar wählt, wird mit deutlich mehr Problemen kämpfen, tatsächlich einen Platz zu bekommen. 

  • Die Vergabe der Kitaplätze muss dem tatsächlichen Bedarf der Eltern ganzjährig möglich sein. Kita-Träger brauchen finanzielle Planungssicherheit, wenn sie Kinder auch später im Kitajahr eingewöhnen.  

Fachkräftemangel lösen  

Der Fachkräftemangel ist aktuell einer der wichtigsten Gründe weshalb die Kita-Träger ihre Kapazitäten nicht ausschöpfen können und die Zahl der genehmigten Plätze von der tatsächlichen Anzahl abweicht. Angesichts der Notwendigkeit des Platzausbaus, des Rechtsanspruchs auf den Ganztag und einer bevorstehenden Verrentungswelle, fehlen bis zu 28.000 Fachkräfte. In der Lösung des Fachkräfteproblems liegt ein Hebel für den Platzausbau, der ganz zentral und nicht zu unterschätzen ist.  

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und gleichzeitig einem modernen Ansatz der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) gerecht zu werden, fordert der Deutsche Kitaverband den Wechsel hin zu multifunktionalen Teams aus pädagogisch (weiter)qualifizierte Direkteinsteiger*innen, Akademiker*innen, Unterstützungs- sowie Verwaltungskräften. Multifunktionale Teams müssen voll refinanziert, die tarifliche Eingruppierung soll entsprechend den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus diversifiziert werden. 

Zweitens braucht es eine Fachkraftquote innerhalb des Mindestpersonalschlüssels. Der Deutsche Kitaverband empfiehlt eine Verteilung von 50 Prozent pädagogischen Fachkräften, 10 Prozent pädagogischen Akademiker*innen, 10 Prozent Quereinsteiger*innen, 20 Prozent Pädagog*innen in Ausbildung sowie 10 Prozent Unterstützungskräften. Die konkrete Zusammensetzung der Teams muss in der Verantwortung des Trägers liegen.  

  • Die neue Landesregierung muss sich für die vollständige Finanzierung multifunktionaler Teams und Verwaltungskräften einsetzen.  

Fachschulen befähigen  

Der Ausbau der Fachschulkapazitäten in Berlin ist ausschließlich den freien Trägern zu verdanken. Drei Viertel der Auszubildenden studieren an Fachschulen in privater Trägerschaft. Die Ausbildungszahlen der öffentlichen Schulen sind seit 2017 kontinuierlich rückläufig. Die berufsbegleitende Ausbildung ist deutlich stärker nachgefragt als die Vollzeitausbildung oder ein Direktstudium.  

Dabei ist die Anrechnung der berufsbegleitenden Auszubildenden auf den Personalschlüssel ab dem ersten Tag Ursache für eine Mehrfachbelastung der Fachkräfte. Im Vergleich 2017 zu 2021 ist der Anteil der Beschäftigten mit einem Fachabschluss von 75 Prozent auf 68 Prozent gesunken. Der Anteil der Beschäftigten (noch) ohne Abschluss von 11 Prozent auf 16 Prozent gestiegen.  

Das Fachpersonal ist neben ihrer eigentlichen Kernaufgabe im Alltag zunehmend mit der fachlichen Begleitung von Auszubildenden und Quereinsteiger*innen gefordert. Sie müssen eingearbeitet werden, erhalten von den Fachkräften zusätzliche Anleitungsstunden – oft außerhalb des laufenden Gruppengeschehens – und können in den ersten Wochen und Monaten in vielen Situationen noch nicht voll eingesetzt werden. Außerdem fehlen sie an zwei Tagen in der Woche in den Gruppen, da ein versetzter Einsatz zum Ausgleich der Schultage im Alltag kaum möglich ist. Alles Faktoren, die das weniger werdende Fachpersonal neben der eigentlichen Tätigkeit mehrfach belasten.  

Bei steigenden Auszubildendenzahlen müssen entsprechend auch Lehrstellen an den Fachschulen geschaffen werden. Um die theoretischen Inhalte praxistauglich zu halten, sollten die Curricula gemeinsam mit den ausbildenden Unternehmen und den Fachschulen entwickelt werden. Bisher werden die Kita-Träger an der Entwicklung von Lerninhalten nicht beteiligt.  

  • Auszubildene und Quereinsteiger*innen sollen erst ab dem zweiten Jahr zu 40 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet werden.  
  • Die Teams brauchen ausreichend Kontingente für ihre Anleitungszeit. 
  • Die Curricula müssen in Zusammenarbeit mit Fachschulen und Trägern aktualisiert werden. 

 

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